Die Rebellen von Irland
des Gedankens nicht erwehren, dass schlussendlich Hercules die Früchte seiner Arbeit genießen würde, und diese Vorstellung gefiel ihm gar nicht. George schien seine Gedanken zu lesen.
»Wenn ich es selbst übernehme, dann wird das Ergebnis nur mittelmäßig ausfallen. Hercules wird sich überhaupt nicht darum kümmern, da er kaum liest. Aber ich würde dem kleinen William und den Generationen nach ihm gerne etwas Besonderes hinterlassen. Es würde mir – und ganz bestimmt auch Fortunatus – große Freude bereiten, wenn in hundert Jahren unsere Nachkommen ihren Besuchern eine edle Bibliothek zeigen könnten. Mit den Worten: ›Das haben wir unserem Cousin Patrick zu verdanken.‹«
Wie hätte er ihre Bitte jetzt noch ablehnen können?
***
Ende des Sommers kam Patrick wieder, als George auch gerade in Wexford weilte. Die drei verbrachten zwei sehr schöne Wochen miteinander. Patrick hatte eine Liste der Bücher mitgebracht, die er bereits erworben hatte. Außerdem vier große ledergebundene Folianten, in denen er die Bibliothek katalogisieren wollte. Er verbrachte einen ganzen Tag mit Brigid in der Bibliothek, richtete den Katalog ein, zeigte ihr genau, wie sie die Einträge schreiben musste und hakte jeden Eintrag, den sie geschrieben hatte, auf seiner Liste ab. Danach verkündete er, wie zufrieden er mit ihrer Arbeit sei und unterhielt sich sogar noch eine halbe Stunde mit ihr. Später sagte er zu Georgiana: »Da haben Sie wirklich einen Schatz in Ihrer Obhut.«
Es wäre übertrieben gewesen zu behaupten, dass Brigid über den Sommer üppiger geworden wäre, denn sie war immer noch dünn und blass. Aber Georgiana fand, dass sie viel besser aussah als früher, und dieses wohlverdiente Lob von Patrick würde dem Mädchen sicher noch mehr Selbstvertrauen schenken.
Als sie ein paar Tage später in die Küche kam, fand sie dort Patrick vor, der seine alte Freundin, die Köchin, besuchte und ihr und den Dienstboten eine lustige Anekdote erzählte. Niemand hatte sie an der Tür bemerkt, und so sah sie ihm schweigend zu und freute sich daran, wie sehr ihre Gesichter vor Zuneigung zu dem jungen Mann leuchteten. Am Schluss der Geschichte lachten alle schallend, und sogar Brigid stimmte lächelnd mit ein. Georgiana wurde bewusst, dass sie das ernste Mädchen zum ersten Mal lachen sah. Sie zog sich leise zurück und gratulierte sich selbst dazu, dass ihre Anstrengungen und die Gegenwart Patricks aus Mount Walsh einen glücklicheren Ort gemacht hatten.
Aber was war denn nun mit dem Kelly-Mädchen? Patrick hatte die Kellys am Tag nach seiner Ankunft besucht. Ein paar Tage später sprach er erneut bei ihnen vor. Georgiana lud Kelly und seine Schwester ein, in der folgenden Woche einen Tag bei ihnen zu verbringen. George erfüllte seine Rolle als loyaler Verwandter und schien sich ausgezeichnet mit Kelly zu verstehen, während sie vor dem Mädchen unauffällig Loblieder auf Patrick sang. Aber als sie Patrick abends, nachdem die Besucher sich verabschiedet hatten, allein erwischte und ihn fragte, was er denn nun wirklich von dem Mädchen hielt, gab er ihr nur eine sehr unbefriedigende Antwort: »Ich mag sie sehr gerne.«
»Und wie gerne, wenn ich fragen darf?«
»Schwer zu sagen, um ehrlich zu sein. Wir stimmen in vielen Dingen überein.«
»Und sie ist katholisch.«
»Ja. Ihr Verstand, ihre Umgangsformen, ja ihr ganzer Charakter sind alles, was sich ein Mann nur wünschen könnte. Meine Gefühle für sie sind …«
»Zärtlich?«
»Oh ja. Zärtlich.« Aber der Gedanke schien ihm nicht zu gefallen.
»Du bist aber nicht verliebt in sie.«
»Ich weiß nicht.« Er schwieg. »Nein, ich glaube nicht.«
»Gemeinsame Interessen, Respekt und Zärtlichkeit sind die besten Voraussetzungen für eine Ehe, Patrick. Das weiß ich genau. Oft entwickelt sich daraus Liebe.«
»Ja. Das stimmt natürlich.«
»Empfindet sie denn auch etwas für dich?«
»Ich glaube schon. Sie hat angedeutet …« Er zögerte. »Ich muss gestehen, meine Gefühle verwirren mich. Ich weiß einfach nicht …«
»Gibt es eine andere?«
»Eine andere? Oh. Nein.« Er schüttelte den Kopf. »Nein. Eigentlich nicht.«
Georgiana seufzte. Das Mädchen tat ihr leid, aber sie sagte nichts mehr dazu.
Ein paar Tage später brachen sie alle gemeinsam nach Dublin auf. Sie saß mit George in der großen Kutsche, der ein Wagen mit zwei Dienern und einigen Reisetaschen folgte. Patrick ritt bis Wicklow neben der Kutsche her. Dort verabschiedete er sich von ihnen,
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