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Die Rebellin

Die Rebellin

Titel: Die Rebellin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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was hat das Gebäude damit zu tun? Weißt du eigentlich, wozu der Pavillon gebaut wird?«
    »Das ist mir vollkommen egal.«
    »Du glaubst, mein Vater will sich ein Denkmal errichten. Kann sein, dass auch das eine Rolle spielt, eitel genug ist er. Aber in Wirklichkeit geht es um viel mehr. In dem Gebäude soll etwas stattfinden, was es noch nie gegeben hat. Die Weltausstellung ist das größte Wunder seit der Schöpfung, und der Pavillon wird ein zweiter Garten Eden sein, ein …«, sie suchte nach einem passenden Vergleich, »… ein Haus des Lebens, ein Palast des Fortschritts, in dem alles zu sehen sein wird, was die Natur je hervorgebracht hat, zusammen mit den größten und wertvollsten Errungenschaften der Menschheit.«
    »Was für Errungenschaften meinst du?«, fragte er verächtlich.
    »Solche wie die Eisenbahn? Darauf kann ich verzichten!« Er schaute sie an, doch sein Blick war so kalt, dass es fast wehtat. »Übrigens, da ist dein Bus.«
    Ein Ruck ging durch die Schlange. Emily sah über die Schulter. Der Schaffner öffnete gerade den Schlag, die Fahrgäste betraten die Plattform und drängten hinein.
    »Na los! Worauf wartest du?«
    Emily beschloss, den Bus fahren zu lassen. Bis nach Hause konnte sie zur Not auch zu Fuß gehen. Der Schaffner schloss den Schlag, und während die Pferde anzogen, drehte sie sich wieder zu Victor herum.
    »Es war ungerecht, was meine Eltern dir angetan haben. Es war sogar mehr als das – es war eine Riesengemeinheit. Aber musst du sie dafür so sehr hassen, dass du in Kauf nimmst, auch anderen Menschen zu schaden?«
    »Hass ist besser als Angst«, erwiderte er.
    »Glaubst du? Glaubst du das wirklich? Dann merk dir eins: Wenn du und irgendwelche Leute mit einem Streik verhindern, dass dieser Bau rechtzeitig fertig wird, schadet ihr nicht nur meinem Vater. Ihr schadet einer Sache, die viel wichtiger ist – wichtiger als Joseph Paxton, wichtiger als du oder ich, wichtiger als wir alle zusammen!«
    »Und was soll das sein?«
    »Ihr schadet dem Fortschritt, dem Wohl der Menschen, die in dem Pavillon zusammenkommen wollen, um friedlich miteinander …«
    »Du hast ja keine Ahnung, wovon du redest.«
    »Und ob ich die habe!« Emily schnappte nach Luft. »Wenn es um die Weltausstellung geht, weiß ich besser Bescheid als irgendjemand sonst, besser sogar als die Mitglieder der Königlichen Kommission. Ich … ich habe erst vor zwei Wochen mit dem Prinzgemahl darüber gesprochen, persönlich!«
    »So, mit dem Prinzgemahl? Persönlich? Ich bin beeindruckt! Dann musst du ja mächtig Bescheid wissen.«
    Emily spürte, sie hatte die dümmste Antwort gegeben, die sie überhaupt hatte geben können. Die ganze Zeit hatte sie nur dummes Zeug geredet, lauter Phrasen, die sie von ihrem Vater und ihrem Verlobten aufgeschnappt und einfach nachgeplappert hatte, wie Cora, ihr Kakadu.
    »Wenn ich keine Ahnung habe«, sagte sie, »dann klär mich auf.«
    »Ich dachte, du weißt schon alles.«
    »Bitte!«
    Victor überlegte eine Weile. »Erinnerst du dich an Toby?«, fragte er schließlich.
    »Nein, wer ist das?«
    »Ein Junge aus der Drury Lane. Alles, was er besaß, war ein Stück Bratfisch, und es gab nichts auf der Welt, worauf er sich mehr freute, als dieses verfluchte Stück Bratfisch zu essen. Doch ehe er dazu kam, hat dein Vater es ihm weggenommen. Dein Vater meinte wohl, dass es reicht, wenn ein Junge aus der Drury Lane Steckrüben isst, wenn er überhaupt etwas zu essen kriegen soll.«
    »Steckrüben? Bratfisch?«, fragte Emily irritiert. »Ich verstehe kein Wort.«
    »Dann hör zu«, sagte Victor. »Es gibt in der Welt zwei Sorten von Menschen: euch und uns, die Kuchenesser und die Steckrübenesser, und jeder von uns Steckrübenessern, der geboren wird, ist in den Augen von euch Kuchenessern einer zu viel. Das ist gar kein Wunder«, fügte er hinzu, als er ihr Gesicht sah, »denn jeder von uns Steckrübenessern könnte ja irgendwann mal Appetit kriegen, sich ein Stück von eurem Kuchen zu schnappen, weil der ihm vielleicht besser schmeckt als die blöden Steckrüben jeden Tag. Aber bevor das passiert, nehmt ihr Kuchenesser uns Steckrübenessern lieber auch noch die Steckrüben weg, damit wir erst gar nicht stark genug werden, um uns mit euch um den Kuchen zu streiten. Oder um ein Stück Bratfisch …«
    Emily fröstelte, obwohl sie eine warme Wolljacke über ihrem Kleid trug. Victors Worte erinnerten sie auf unheimliche Weise an die Lehren ihres Vaters, vom ewigen Kampf ums Dasein, des

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