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Die Rebellin

Die Rebellin

Titel: Die Rebellin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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würde. Sie hatte sich geschworen, keinen Fuß mehr in die Hauptstadt zu setzen, bis die Weltausstellung vorbei war, fest entschlossen, die Zeit bis dahin bei ihrer Patentante in Manchester zu verbringen. Doch je näher der große Tag gerückt war, umso stärker hatte das Ereignis sie angezogen, und statt von Chatsworth nach Manchester zu fahren, wie sie ihren Eltern versprochen hatte, war sie in den Nachtzug nach London gestiegen. Die Vorstellung, dass die Ausstellung eröffnet wurde und sie bei ihrer schwerhörigen Tante altbackene Kekse aß, hatte sie nicht ausgehalten, und ohne Pythia zu befragen, die bei der Kälte der letzten Wochen in einen zweiten Winterschlafgefallen war, hatte sie sich auf den Weg gemacht. Ihre Reisetasche hatte sie in einem Public House bei Euston Station abgestellt. Dort würde sie sie abholen, bevor sie nach Manchester weiterfuhr.
    »Endlich! Sie schließen auf!«
    Ein Gittertor, das im Abstand von einigen hundert Yards den Kristallpalast vor dem Ansturm der Massen abschirmte, wurde für einen Augenblick geöffnet, und die erste Menschenwelle spülte in einen umzäunten Vorhof, von dem aus schmale Eisentreppen zu den Galerien hinaufführten. Voller Verbitterung sah Emily zu, wie die glücklichen Besitzer von Saisonkarten, die an diesem Tag allein zum Eintritt berechtigten, sich auf die verschiedenen Gebäudezugänge verteilten. Sie war so nah am Ort des Geschehens, und doch würde sie davon ausgeschlossen bleiben! Fast bereute sie, dass sie ihre Eltern nicht begleitet hatte. Als Tochter von Joseph Paxton würde sie jetzt in der ersten Reihe sitzen.
    »Ihr Ticket, Miss!«
    Ein Mann, der aussah wie ein gallenkranker Justizkommissar, versperrte Emily den Weg. Als sie in das kleine, hoheitsvolle Gesicht blickte, verwandelte sich ihre Verbitterung in Empörung. Sollte sie wegen dieses Wichtigtuers vielleicht nach Manchester fahren, ohne auch nur einen Zipfel der Ausstellung gesehen zu haben, während Tausende von Menschen, die sich keinerlei Rechte daran erworben hatten, in den Kristallpalast durften? Bevor sie wusste, was sie tat, erklärte sie: »Ich brauche keine Eintrittskarte, Sir!«
    Der Ordner nahm die silberne Lorgnette, die an einer Schnur vor seiner Brust baumelte, und klemmte sie sich auf die Nase. »Und warum nicht, wenn ich fragen darf?«
    »Weil ich Miss Emily Paxton bin, die Tochter von Mister Joseph Paxton!«
    Durch seine Augengläser fixierte sie der Mann mit einem verächtlichen Blick. »Und ich bin Prinz Albert persönlich!«, sagte erund nahm seine Lorgnette von der Nase. »Los, verschwinden Sie, oder ich lasse Sie fortschaffen!«

3
     
    Der Lärm der Menge brandete bis hinauf in die Dachwohnung am Hamilton Place. Hardy stand auf einem Stuhl am Fenster und verrenkte sich den Hals, um draußen im Park etwas zu sehen.
    »Warum darf ich nicht mitkommen, Papa? Ich würde so gerne dabei sein, wenn du der Königin alles erklärst.«
    »Du weißt doch, dass das nicht geht. Sei jetzt ein großer Junge und nimm Vernunft an.«
    »Aber das ist nicht fair! Die Weltausstellung ist deine Erfindung!«
    Henry Cole war bis vor wenigen Minuten noch im Kristallpalast gewesen, um letzte Hand an die Dekoration des Thronraums zu legen. Jetzt war er kurz in die Wohnung zurückgekehrt, um sich für das große Ereignis umzuziehen. Vor lauter Nervosität gelang es ihm kaum, die Frackschleife zu binden. In wenigen Stunden würde er die Königin durch die Ausstellung führen – Prinz Albert persönlich hatte ihn mit dieser hohen Ehre ausgezeichnet.
    »So, jetzt kannst du ihn anziehen.«
    Marian kam mit seinem Frack herein, den sie im Flur für ihn abgebürstet hatte. Seit Monaten trug sie zum ersten Mal wieder ein Kleid. Viel zu groß hing es um ihren mageren Leib, doch ihre Augen leuchteten.
    »Danke, mein Engel«, sagte er, während er den Frack überstreifte. »Womit habe ich nur eine Frau wie dich verdient?«
    Sie band seine Schleife, ohne die Augen von ihm abzuwenden. Cole hatte Mühe, ihren Blick zu erwidern. Seit Emilys Besuch in seiner Wohnung hatten sie beide den Vorfall kein einziges Malerwähnt, und Marian hatte ihm keine der vielen Fragen gestellt, die zu stellen sie alles Recht der Welt besaß. Ob sie ahnte, wie es um ihn stand? Wenn ja, dann bewunderte er ihr Schweigen umso mehr. Es war eine schwere, durch nichts zu rechtfertigende Verfehlung gewesen, sein Schicksal auf eine Spekulation zu gründen, die Marians Tod in Kauf nahm, und die Tatsache, dass er sich dazu hatte verführen

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