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Die Rebellin

Die Rebellin

Titel: Die Rebellin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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längst über alle Berge sind, gibt es hier eine wunderhübsche kleine Explosion – wumm! Wenn du willst, können wir ja aus der Ferne zuschauen. Ja, ich glaube, das sollten wir tun. So etwas kriegt man schließlich nicht alle Tage zu sehen.«
    Emily spürte, wie ihr der Mund austrocknete, und für einen Moment glaubte sie, ohnmächtig zu werden. Wie hatte sie nur hoffen können, Robert sei auf ihrer Seite? Er wollte dasselbe wie Victor – er wollte den Kristallpalast zerstören! Nur dass er seine eigene Haut retten wollte. Emily hatte nicht den geringsten Zweifel, dass er alles genauso ausführen würde, wie er es gerade erklärt hatte. Verzweifelt versuchte sie, einen Blick von Victor zu erhaschen, doch der schaute nur auf seine Hände, während er mit langsamen, vorsichtigen Bewegungen den Zünder an den Sprengstoffbehälter anschloss.
    Emily schloss die Augen und tat, was sie schon seit einer Ewig- keit nicht mehr getan hatte. Leise begann sie zu beten.
    Vater unser, der du bist im Himmel …
    »Bist du so weit?«, fragte Robert.
    »Sofort«, sagte Victor.
    Geheiligt werde dein Name …
    »Dann leg jetzt den Backstein auf das Ventil. Damit die Mühe sich auch lohnt, der Druck ist schon mächtig gefallen.«
    Dein Reich komme, dein Wille geschehe …
    »Aber ich warne dich, Victor …«
    Wie im Himmel, also auch auf Erden …
    »Keine Mätzchen – oder …«
    Wieder fühlte Emily das Messer an ihrer Kehle. Sie riss die Augen auf. Victor hatte den Backstein schon in der Hand.
    »Tu’s nicht!«, rief sie.
    »Halt die Fresse!«, sagte Robert und trat ihr in den Rücken.
    »Bitte, Victor, ich flehe dich an!«
    »Du sollst die Fresse halten!«
    Robert presste seine Hand auf ihren Mund und zerrte sie ein paar Schritte zurück. Dann schlang er den Arm um ihren Hals und öffnete gleichzeitig hinter sich die Tür, die hinaus auf den Korridor führte. Victor stieg auf die Leiter und legte den Backstein auf das Ventil.
    »Und jetzt bring unser Schätzchen ins Bett«, rief Robert ihm zu.
    Unser tägliches Brot gib uns heute …
    Victor biss sich auf die Lippe. Emily schaute ihn an, doch er wich ihrem Blick aus. Der Zeiger war schon wieder jenseits der roten Markierung.
    »Los!«, rief Robert. »Worauf wartest du? Oder willst du mit in die Luft gehen?«
    Er machte noch einen Schritt zurück in Richtung Tür. Emily versuchte, sich zu befreien, sie wand sich in seinem Arm und trat mit den Beinen nach ihm, aber Robert war zu stark.
    Victor stieg von der Leiter und ging zu dem Pult, auf dem der Sprengsatz bereit lag.
    »Nein!«, schrie Emily, als sie einen Augenblick Luft bekam.
    Doch Victor ging einfach weiter, als würde er sie nicht hören, das Gesicht vollkommen versteinert. Emily wusste, jetzt gab es kein Zurück mehr.
    Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern …
    Gebannt starrte sie auf das Manometer, während sie die letzten Worte des Gebets flüsterte. Wieder rückte der Zeiger ein Stück weiter vor. Robert stieß mit dem Absatz seines Stiefels die Tür hinter sich auf. Der Zeiger erreichte den Anschlag.
    Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Übel …
    »Was ist hier los?«
    Emily hörte die Stimme wie aus einer anderen Welt. Trotz Roberts Griff gelang es ihr, den Kopf zur Seite zu drehen. Ein Mann kam im Laufschritt den Korridor entlang, direkt auf sie zu, ein Mann, den sie kannte …
    »Mr. Cole!«
    In einer Explosion ihrer Kräfte riss Emily sich aus Roberts Umklammerung los. Im selben Moment flog ein großer schwarzer Schatten auf sie zu. Sie duckte sich, stolperte, griff ins Leere, ohne einen Halt zu finden.
    Plötzlich ein Schrei, wie von einem Tier.
    Während Emily beiseite rollte, sah sie, wie Victor sich auf Robert stürzte. Das Messer blitzte in der Luft, ein lautes Krachen, wie von Holz oder Knochen, dann fuhr die Klinge nieder und drang in eine Kehle, bis zum Schaft.
    Rot spritzte das Blut auf und ergoss sich über Emily.

22
     
    Was für ein Augenblick!
    Keine fünfzig Jahre war es her, dass Joseph Paxton als Sohn eines armseligen Pachtbauern zur Welt gekommen war. Mit Wassersuppe und trockenem Brot war er aufgewachsen, ständig hatteihm vor Hunger der Magen geknurrt, sodass ihm noch heute beim Anblick einer Steckrübe das Wasser im Mund zusammenlief. Und jetzt stand er vor der Königin von England, um zum Ritter des britischen Empires geschlagen zu werden.
    Vor ihm in der Reihe befand sich nur noch Colonel Reid, der für seine Tätigkeit im

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