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Die Rebellin

Die Rebellin

Titel: Die Rebellin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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Das ist unverzeihlich.«
    Emily zuckte die Schultern. »Wenn du dich entschuldigen willst – dafür ist es zu spät. Ihr habt ein Leben zerstört. Durch eure Lügen wäre ein Mensch fast zum Verbrecher geworfen.«
    »Du sprichst von Victor, nicht wahr?« Paxton ließ das Etui sinken, ohne sich eine Zigarette zu nehmen.
    »Von wem sonst? Er hat so sehr unter dir gelitten, dass er zu allem bereit war, nur um sich von dir zu befreien.«
    Ihr Vater nickte. »Ja, ich gebe zu, ich habe ihm Unrecht zugefügt, und wahrscheinlich hast du Recht, dass es keine Entschuldigungfür mein Verhalten gibt. Aber eins sollst du wissen«, fügte er nach einer Pause hinzu, »Victor ist nicht mein Sohn.«
    »Ich glaube dir kein Wort!«
    »Aber es ist so, wie ich dir sage«, wiederholte er. »Ich bin nicht sein Vater. Auch wenn deine Mutter das Gegenteil behauptet.«
    »Das ist doch nur wieder eine von deinen Lügengeschichten!« Emily war so angewidert, dass sie am liebsten vor ihm ausgespuckt hätte. »Victor hat dieselben Augen wie du, dieselbe Stirn, dasselbe Kinn. Er ist dir wie aus dem Gesicht geschnitten.«
    »Das hat nichts zu bedeuten! Eine Laune der Natur!«
    »Und er ist der einzige Mensch außer dir und mir, der seinen Daumen bis zum Unterarm zurückbiegen kann.«
    »Woher willst du das wissen? Geh auf die Straße, hier in London, und probier es aus. Ich bin sicher, du findest Tausende von Menschen, die das können.«
    »Er hat das gleiche Temperament wie du, die gleiche aufbrausende Art. Außerdem mag er Steckrüben! Sie sind sogar sein Lieblingsessen!«
    »Das wundert mich nicht im Geringsten. Victor ist genauso arm, wie ich es früher war.«
    »Ja, ja, ja! Auf alles hast du eine Antwort.« Die Empörung verschlug Emily fast die Sprache, und sie brauchte eine Weile, bis sie die Worte wiederfand. »Aber gut, angenommen, es würde stimmen, was du sagst, und Victor wäre nicht dein Sohn – wie konntest du ihn dann ein Leben lang mit solchem Hass verfolgen? Hast du auch darauf eine Antwort?«
    Ihr Vater zögerte keine Sekunde. »Ja«, sagte er, »aus einem einfachen Grund: Weil deine Mutter glaubte, dass er mein Sohn
sei
. Und sie war mir wichtiger als er. Sie war nicht davon abzubringen – eine fixe Idee, die ich ihr in all den Jahren nicht ausreden konnte. Deine Mutter hatte immer Angst, mich an eine jüngere Frau zu verlieren, und vor lauter Eifersucht war sie manchmal unfähig, die Dinge so zu sehen, wie sie wirklich waren.« Er hielt kurz inne, bevor er weitersprach. »Es mag seltsamfür dich klingen, aber es war ihre Liebe, die sie blind gemacht hat, ihre Liebe und ihre Angst. Ihnen ist Victor zum Opfer gefallen.«
    »Und deiner Schwäche«, sagte Emily.
    »Ja«, bestätigte er, »und meiner Schwäche.«
    Es entstand eine Pause. Emily wusste nicht mehr, was sie denken sollte. Sie fühlte sich wie ein Kind, das in ein Kaleidoskop blickt und sieht, wie alle Formen und Figuren, die ihm gerade noch klar und deutlich vor Augen zu stehen schienen, sich verlieren und auflösen, bis keine wieder zu erkennen ist.
    »Ich begreife es nicht«, sagte sie nach einer Weile, »es ergibt alles keinen Sinn.«
    »Was ergibt keinen Sinn?«
    »Wenn es wirklich wahr wäre, dass du nichts mit Victor zu tun hast, warum hast du ihm dann zur Flucht verholfen? Das ist doch der Beweis, dass er dein Sohn ist.«
    »Um ihn mir vom Hals zu schaffen?« Ihr Vater schüttelte den Kopf. »Nein, Emily. Ich habe ihm geholfen, weil es meine einzige Chance war, ein kleines bisschen wieder gutzumachen von dem, was ich ihm angetan hatte. Victor
musste
fort. Sie hätten ihn sonst ins Gefängnis gesteckt, vielleicht sogar zum Tod verurteilt.«
    Emily biss sich auf die Lippen. So oft hatte er sie mit seinen Reden hinters Licht geführt. Doch diesmal würde es ihm nicht gelingen.
    »Du musst mir glauben«, sagte er, »bitte, ich flehe dich an.«
    Emily senkte den Blick. »Ich … ich würde dir so gerne glauben«, flüsterte sie, »aber – ich kann es nicht. Ihr habt mich zu oft belogen.«
    Sie reichte ihm die Hand.
    »Leb wohl, Papa.«
    Ohne ihn noch einmal anzuschauen, wandte sie sich ab und ließ ihn stehen.
    »Emily, bitte, geh nicht so fort.«
    Im Laufschritt eilte sie davon. Während das Echo ihrer Schritte in ihrem Kopf dröhnte, hatte sie nur noch das Bedürfnis, das alles hier so schnell wie möglich hinter sich zu lassen, all die Lügen und Verdrehungen, die Hintergedanken und Entstellungen, die es ihr unmöglich machten, die Wahrheit zu erkennen. Sie

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