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Die Rebellin von Leiland 1: Maske (German Edition)

Die Rebellin von Leiland 1: Maske (German Edition)

Titel: Die Rebellin von Leiland 1: Maske (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magali Ségura
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weißen Fleck auf der Stirn. Die Schnauze des Tiers öffnete sich ein wenig weiter, als würde es lächeln.
    Angesichts dieses Ausdrucks glaubte Andin, noch zu träumen. Er vermenschlichte den Wolf sicher zu sehr. Dennoch funkelten die schräg liegenden Augen vor Schalk. Ohne wirklich daran zu glauben, hielt der junge Mann ihm vorwurfsvoll vor: »Und das findest du am frühen Morgen lustig?«
    Das Tier klimperte mit den Augenlidern, ohne sich sonst zu rühren. Es wirkte zufrieden. Andin setzte sich wieder hin und fuhr sich mit der Hand durch die Haare. Endlich hatte er einmal keine Schwierigkeiten damit, seinen Verstand dem neuen Tag zu öffnen! Aber werde ich in Leiland überhaupt lange bei Verstand bleiben?
    Immer noch unbehaglich stand er auf und versuchte, seine Gedanken zu ordnen. Am Vorabend war er in seinem Lauf nach Westen gelangt und hatte den Wald fast auf ganzer Breite durchquert. Noch etwas weiter westlich, kaum eine Viertelmeile entfernt, musste sich das Binnenmeer befinden. Der junge Mann nahm ein paar Krapfen zum Frühstück mit und ging los, um sich den Sonnenaufgang über der großen, blauen Fläche anzusehen und in Ruhe ganz wach zu werden.
    Die langgestreckten Kalksteinklippen, von denen vereinzelte Wasserläufe in dünnen Kaskaden hinabstürzten, ragten als mächtige, unüberwindliche Bollwerke auf. Das Meer gab sich im Augenblick damit zufrieden, zu ihren Füßen zu rauschen, und dehnte sich schillernd im ersten Licht der Morgensonne bis in die Unendlichkeit. Sein Geruch nach Jod und Salz ließ alle Vagabundenseelen von Freiheit und Reisen träumen. Die Wolken, die so sanft wie große Schiffe in Richtung Horizont davonglitten, erinnerten an weiße Segel.
    Angesichts der Schönheit und Großartigkeit dieser Aussicht versank Andin aufs Neue in seinen Träumen. Die Sonne wärmte ihm langsam die Schultern. Er dachte nicht an seine Liebe, aber an den Traum, den er in der Nacht gehabt hatte und der ihm nun ins Gedächtnis zurückkehrte. Alles war vage, doch er erinnerte sich an die Anwesenheit eines kleinen Mädchens. Graue und rosafarbene Wellen überspülten die hohen Felsen, die in orangefarbenes Licht getaucht waren, und übten eine beruhigende Wirkung aus. Trotzdem gelang es ihm nicht, diesen Traum festzuhalten, der Stück für Stück seinem Verstand entglitt.
    Er hatte keine Zeit, sich länger zu konzentrieren: Der Wolf kam ihn holen und legte die Reste des schwarzen Hemds neben ihm ab. Er trat drei Schritte zurück.
    »Oh nein! Ich vergesse sie schon nicht«, seufzte Andin.
    Aber seine Mission hatte Vorrang. Deshalb hob er das Hemd auf und machte sich auf den Weg zur Lichtung. Er musste so schnell wie möglich zur Burg, um den Brief seines Königs loszuwerden. Es würde das Beste sein, am Waldrand entlangzugehen, um seine Stute wiederzufinden. Nis konnte nicht weit sein.
    Abrupt stürzte sich der Wolf von hinten auf ihn und schnappte nach seinem Knöchel. Aus dem Gleichgewicht gebracht stürzte Andin der Länge nach hin; der Hemdfetzen flog ihm aus der Hand.
    Einen Augenblick lang war er überrascht und musterte das Tier: Das Maul öffnete sich wieder in einer Grimasse der Befriedigung. Dieser intelligente Wolf war ganz eindeutig verspielt – und lebte das auf Andins Kosten aus! Er stieß einen Angriffsschrei aus und riss die Arme zum Himmel hoch, um dem Wolf Angst zu machen. Der Wolf entfernte sich springend, das Hemd im Maul. Sein Verhalten brachte den jungen Mann zum Lächeln. Er ließ sich auf das Spiel ein, und es ergab sich ein wildes Hin und Her um den Besitz des Hemds. Der Wolf fürchtete ihn, er fürchtete den Wolf, aber in diesem Augenblick besiegte der Spaß die instinktive Angst und die bösen Legenden. Nis wäre bei diesem Anblick ganz elend geworden!
    Zurück auf der Lichtung tauchte Andin den Kopf ins Wasser, um die Hitze des Tages ertragen zu können. Dann sammelte er sein Gepäck ein und entfernte sich von den weißen Steinen, indem er an der Klippe des Verbotenen Waldes entlang in Richtung der Großen Ebene ging. Zu seinem großen Erstaunen folgte der Wolf ihm immer noch und wedelte stumm mit dem Hemd im Maul. Andin wäre es lieber gewesen, wenn das Tier ihn zu dem jungen Mädchen geführt hätte, aber der Wolf verstand das nicht – oder tat zumindest so. Aus dem Augenwinkel beobachtete er ihn.
    Später am Morgen erreichten sie wieder einen schmalen Pfad, der durch den Wald in Richtung des Palasts führte. Die Schlucht war enger geworden, und an diesem Ort hätte man mit

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