Die Rebellin von Leiland 1: Maske (German Edition)
einem einfachen Sprung in den Verbotenen Wald eindringen können. Der Weg wurde breiter, und der junge Mann erkannte durch das Laubwerk hindurch eine kleine Brücke, die über die Kluft führte. Die Brücke-ohne-Wiederkehr . Dahinter bezeichnete der Morgennebel das geschützte Gebiet.
Die Lust darauf, sich das alles aus größerer Nähe anzusehen, nagte an Andin. Wenn das Verbot, dorthin zu gehen, von jemand anderem ausgegangen wäre, hätte Andin nicht gehorcht – aber es war von dem Mädchen-mit-den-blauen-Augen ausgesprochen worden. Er sah wieder ihr Gesicht vor sich, als sie es zu ihm geneigt hatte, um es ihm zu sagen. Er durfte die Brücke nicht überschreiten.
»Und was, wenn sie dort leben würde?«, fragte er, da er es gewohnt war, laut mit Nis zu sprechen.
Schließlich war das Ungeheuer – wenn man das Ausmaß ihrer Kräfte bedachte – vielleicht nur eine ihrer Schöpfungen, mit der sie ihm hatte Angst machen wollen! Der Wolf hatte sich hingesetzt. Geduldig musterte er das menschliche Wesen, ohne sein Problem zu verstehen. Er schnaubte nicht und schüttelte auch nicht den Kopf. Sein Schwanz fegte sacht durchs Gras – und dann begann seine Schnauze plötzlich zu zucken.
Nein, auch sie ist keine vierhundert Jahre alt … , fügte Andin in Gedanken hinzu.
Wie also sollte man sich diese Legende erklären? Und warum hatte er das Gefühl, dass das junge Mädchen nicht weit entfernt war? Das ließ ihm keine Ruhe. Der Wolf nahm ihm die Entscheidung ab. Er stob nämlich wie ein Wahnsinniger davon, nicht auf die Brücke zu, sondern nach Norden, in Richtung der Burg.
»Er hat sie gerochen!«, rief Andin hoffnungsvoll und rannte dem Wolf nach.
Als er ihn einholte, war er enttäuscht, ihn mit allen vier Pfoten auf einem Mann stehen zu sehen, der vom Gewicht des Wolfs platt auf den Boden gedrückt wurde. Der Wolf stand reglos über seinem Gesicht, als wollte er die Beherrschung seines Opfers erproben.
»Aber ja doch, ich habe dich lieb, San, ja, du bist ein Schöner! Ceban!«, rief der Mann in geheuchelter Furcht einem anderen zu. »Nimm ihn von mir, oder es gelingt mir nie, diese Klette abzuschütteln! «
Ceban beschränkte sich darauf, aus vollem Hals zu lachen. Er hörte sofort damit auf, als Andin erschien. Der schreiende Mann machte sich endlich mit Leichtigkeit von dem Wolf los. Zu sehen, wie er sich aufrichtete und seine Waffe zog, war trotz allem außerordentlich eindrucksvoll. Er war ein wahrer Berg von einem Mann, sicher mehr als sieben Fuß groß! Und seine Muskeln konnten mit seiner Körpergröße mithalten. Sein finsterer Blick versetzte Andin eine Gänsehaut; er verstand nicht, woher plötzlich eine solche Angriffslust kommen konnte.
»Hör auf, Sten! Sieh doch die Kette, die er trägt! Er ist es«, mahnte Ceban.
Andin war den Freunden seiner jungen Abenteurerin begegnet, unter denen sich die Neuigkeit von seiner Existenz recht schnell herumgesprochen hatte.
Ceban, der sehr jung wirkte, hatte graugrüne, intelligente Augen. Eine Intelligenz, die dem großen Schläger abging, soweit Andin das beurteilen konnte. Aber der steckte sein Schwert wieder an den Ledergürtel. Seine Miene wurde sanfter und enthüllte ein weniger wildes Gesicht, als man hätte annehmen können – er wirkte sogar sympathisch. Er setzte seine Mütze wieder auf, die zu Boden gefallen war. Seine Haut war sonnengebräunt; er schien auf die Dreißig zuzugehen.
Drei Pferde hielten hinter ihnen. Eines davon hatte einen weißen Fleck am Hinterbein. Andin erkannte erfreut seine Stute. Nis’ schwarze Kulleraugen funkelten, und sie riss so abrupt an der Führleine, dass Ceban sie vor Überraschung losließ. Sie eilte zu ihrem Herrn und barg schnaubend die Nüstern an seinem Hals. Selbst die Gegenwart eines Wolfs hatte sie dieses Mal nicht davon abgehalten, näher zu kommen. Andin nahm rasch ihre Leine, bevor sie es bemerkte.
Die beiden Männer machten ihm das Besitzrecht an der Stute nicht streitig, deren Verhalten gezeigt hatte, dass sie dem Fremden gehörte. Nur Ceban zog eine leichte Schnute, als er zusehen musste, wie der schöne Bogen, der am Sattel befestigt war, ihm entging.
Der Wolf brachte seltsamerweise das Hemd zu Sten: Er suchte nach einer Antwort. Der Riese kniete sich hin, um den Wolf aufzufordern, noch näher zu kommen, und nahm das zerfetzte Hemd in Augenschein.
»Da kommst du uns nun nach drei Monaten Abwesenheit wieder besuchen – und das, um uns diesen Lumpen zu bringen? Was ist das denn, San, hm? Was ist
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