Die Rebellin von Leiland 2: Das Gift des Herzogs (German Edition)
Verwandten auszusetzen. Die junge Frau hatte ihn gepflegt, das schien offensichtlich zu sein, aber welche Ergebenheit und welche Intelligenz hatten den Wolf davon abgehalten, für immer in die Wälder zurückzukehren?
Die Tierwelt blieb Andin ein Rätsel, ebenso ganz Leiland. Obwohl die Dunklen Wälder ein heimliches Paradies inmitten des Gewöhnlichen bildeten, verfügten auch sie über ihre Fallstricke und Schrecken. Die Katratten waren das beste Beispiel für diese Ambivalenz: Dämonen, Mörder, Verräter und Heuchler, immer berechnend und zerstörerisch– doch sie wussten erstaunlich viel über die Pflanzen dieses Ortes, verfügten über eine seltsame Begabung, als Führer zu dienen, und verstanden alte und neue menschliche Sprachen unglaublich gut.
Andin ließ sich von der schönen Seite der Dinge und den Frühlingsdüften, die zu ihm drangen, bezaubern. Er rekelte sich im Gras zwischen den Blumen, fühlte sich ruhig und heiter, von einem phantastischen, für seine Vernunft sogar unbegreiflichen Leben umgeben. In dieser Umgebung und zugleich in Eleas Gesellschaft beachtete er eine Warnung der Natur nicht. Massen von grauen Wolken ballten sich am Himmel zusammen und zogen in einem unheimlichen, bedrohlichen Wallen vorbei. Wenn Andin den Weißen Berg hätte sehen können, hätte er geglaubt, dass eine dunkle Hand sich von der Königsburg her nach dem gesamten Land ausstreckte.
Der Schatten der Wolken, die mörderische Raserei der Katratten, das plötzliche Auffliegen und die Ängstlichkeit der Vögel hätten Andin spüren lassen müssen, dass die Gefahr selbst inmitten von Schönheit und Frieden immer gegenwärtig war. Er hätte die Bedrohung wahrnehmen und Kortas Lachen, das auf der Burg widerhallte, hören müssen. Aber er schwebte– einen Grashalm im Mund– auf einer kleinen, weißen Wolke.
Füreinander geschaffen
Als Elea vier Stunden später halbwach den Himmel betrachtete, war sie über seine Schwärze überrascht. Sie hatte am Vorabend zwar nicht besonders auf die Monde geachtet, erinnerte sich aber nicht, dass sie Regen verheißen hätten. Aber das war nicht das einzige überraschende Detail. San war hier, mit gesträubtem Fell und gebleckten Reißzähnen, um die Katratten einzuschüchtern, die zurückgekehrt waren und immer ungeduldiger wurden. Doch er wollte sie nicht jagen.
» Er hat in eine hineingebissen«, antwortete Andin auf ihr Staunen hin. » Und die Katratte war anscheinend nicht genießbar. Umgekehrt«, fuhr er fort und zeigte ihr seine linke Hand, » ist mein Fleisch allerdings ganz nach dem Geschmack dieser dreckigen Biester!«
Zeige- und Mittelfinger wiesen blutige Löcher auf. Man konnte fast die Umrisse der Kiefer der Katratten erahnen. Und das war nur eine Warnung! Elea war empört und fand die nötige Kraft, um die Verletzung zu untersuchen, aber Andin zog die Hand an sich und lächelte.
» Wenn du dich um mich kümmerst, verspeisen sie uns bei lebendigem Leibe«, warnte er.
Die Katratten waren in Raserei verfallen und zogen den Kreis um die beiden und den Wolf immer enger.
» Weg mit euch!«, sagte Elea und stand herrisch mit großer Gebärde auf. » Ich will nur die ersten vier sehen, die gebracht haben, was ich verlangt habe!«
Es verunsicherte die Katratten, wenn man ihnen gegenüber keinerlei Furcht zeigte, und selbst wenn sie in der Überzahl waren, ging ihre geringe Größe mit Feigheit einher. Die meisten verschwanden. San kam sich anscheinend plötzlich viel tapferer vor: Er setzte ihnen nach und vergaß ihren schlechten Geschmack.
Elea kniete sich vor die vier verbliebenen Katratten, die ganz stolz waren. Sie waren von Wunden bedeckt. Andin holte die Aecliven aus seinem Hemd und zog sich wieder an.
» Sie haben mich nicht geführt, aber sie haben mir etwas gebracht«, erklärte Elea dem jungen Mann. » Also haben sie das, was sie entdeckt haben, in Besitz genommen. Wenn man versucht, es ihnen abzunehmen, beißen sie einen. Man muss ihnen vorab etwas anderes im Austausch geben, damit sie das, was man will, herausrücken.«
» Ich glaube, das verstehe ich«, nickte Andin und musterte seine Hand.
Elea legte vor jeder Katratte eine Aeclive ab und sammelte die Zutaten des geplanten Heilmittels ein, die sie losgelassen hatten. Die kleinen Ungeheuer entfernten sich eilig mit dem Obst, und bald waren ihnen alle anderen Katratten des Waldes auf den Fersen; es kam zum zweiten Wettlauf des Tages.
Elea verstaute die verschiedenen Pflanzen sorgfältig in einem kleinen
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