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Die Rebellin

Die Rebellin

Titel: Die Rebellin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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Mavrojenous einmal erklärt habe, Vassiliki habe sich das Recht erworben ihr Leben lang bei der Familie zu bleiben. Das hatte er über keinen anderen aus der Dienerschaft gesagt.
    Vassiliki zwang sich, nicht mit der Hand über die weiche Haut ihres Püppchens zu fahren, genoss einen Augenblick lang die Körperwärme der geliebten Kleinen, atmete ihren immer noch leicht rauchigen Duft ein und schob sie dann mit einem rüden Schulterstoß aus dem Bett.
    »Geh schlafen. Ich erzähle dir die Geschichte ein andermal.«
    »So wie du mir die Geschichte von deiner Flucht aus dem Harem erzählen wirst?«
    »Aus einem Harem kann man nicht flüchten.«
    »Es ist ungehörig, mich aus dem Bett zu stoßen.«
    »Diesen Satz wirst du von deinem Prinzen sicher auch noch hören, wenn du nicht versuchst ihm etwas Zuneigung entgegenzubringen.«
    Weil sich der Kreis des Gesprächs geschlossen hatte, stand Mando auf, nahm die Öllampe und zog sich in ihr eigenes Zimmer zurück. Neugierig betrachtete sie das Buch. Es war eine französische Übersetzung von Byrons ›Childe Harold's Pilgrimage‹. Das Buch war 1812 erschienen und spiegelte dem Leser nicht vor, dass Griechenland heute noch eine von Göttern und Nymphen bewohnte Märchenwelt der Antike war. Beim Lesen staunte Mando, wie akkurat Byron die aktuelle Situation des Landes beschrieben hatte. Sie freute sich, dass er dies so vielfarbig und lebendig schildern konnte und dabei immer ein Fünkchen Hoffnung mitschwingen ließ. Eine Stelle gefiel ihr so gut, dass sie sie noch in jener Nacht auswendig lernte:
    »Und doch, in deinem Leid, wie bist du schön,
Verschwund'ner Götter, toter Helden Land;
Es künden grünes Tal und schneebedeckte Höh'n,
Dass die Natur als ihren Liebling dich erkannt.«
    Mando fiel die sommerbraune mykoniatische Steinwüste ein und sie fragte sich, ob jene Insel, auf der die Titanen ihre Kämpfe ausgetragen haben sollten, auch zu den Lieblingen der Götter gehörte.
    Ypsilanti hatte das Haus bereits verlassen, als sie am späten Morgen die breite Treppe zur Empfangshalle hinunterkam.
    »Der Herr lässt Ihnen sagen, dass Sie sich wie zu Hause fühlen sollen. Er erwartet Sie am Abend zum Essen«, teilte ihr einer der Diener mit. Mando bat eine Kutsche für sie anzuspannen und machte sich auf die Suche nach Marcus.
    Sie fand ihn in ihrem ausgebrannten Haus, wo er zwischen den Trümmern herumwühlte, als ob er noch etwas zu finden hoffte.
    »Das hat keinen Sinn«, sagte Mando, »alles, was nur geringen Wert hat, ist verschwunden. Darum musst du mich in die Hauptstadt begleiten.«
    Er hob die Augenbrauen. »Nach Tripolis?«
    »Das ist doch zurzeit die Hauptstadt«, erwiderte Mando ungeduldig. »Admiral Miaulis hat mir gestern einen guten Vorschlag gemacht. Ich erzähle es dir unterwegs.«
    »Du kannst doch nicht einfach mit Ypsilantis Kutsche davonfahren!«, rief er, als ihn Mando wenig später aufforderte, sein Pferd zu satteln.
    »Warum denn nicht? Ich bin schließlich seine Verlobte!«
    Marcus schüttelte den Kopf, aber half ihr und Vassiliki ohne ein weiteres Wort beim Einsteigen. Der Kutscher wartete auf Anweisungen.
    »Nach Tripolis«, sagte Mando einfach.
    Das schien dem Mann die Sprache zu verschlagen und ihn bewegungslos zu machen.
    »Worauf warten wir noch?«, fragte Mando ungeduldig.
    Stotternd erklärte er, dass er sie gern zu irgendeinem Ziel in der Nähe von Nauplia fahren würde, ohne den Befehl seines Herren aber ungern in das fast eine Tagesreise entfernte Tripolis.
    »Dann tust du es eben ungern«, erwiderte Mando pampig.
    Vassiliki warf ihr einen strafenden Blick zu, kletterte zum Kutscher auf den Bock und sagte etwas zu ihm. Wenig später setzte sich die Kutsche in Bewegung.
    »Wie hast du das geschafft?«, fragte Mando.
    »Mit etwas Höflichkeit, stell dir vor, die kostet nichts«, erwiderte die Dienerin. »Außerdem habe ich ihm versprochen in Tripolis für ein frisches Pferd zu sorgen, damit er gleich wieder zurückfahren kann.«
    »Und das hat gereicht?«
    »Nicht ganz.«
    »Sprich schon.«
    »Es gibt Dinge, die eine Dame besser nicht hören sollte«, meinte Vassiliki nur und lehnte sich zurück. Marcus würde ihr schon helfen in Tripolis ein Mädchen aufzutreiben, das dem Kutscher die Rückreise versüßen würde.
    Bei der ersten Rast teilte Mando Marcus und Vassiliki ihre Pläne mit.
    »Selbst Piraten sind gläubig«, begann sie. »Admiral Miaulis hat mir geraten, beim Minister für Religion vorzusprechen und ihm alles zu erzählen. Der

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