Die Rebellion
langen, fließenden Cocktailkleid auf dem Bett lag, einen
Marguerita in einem geeisten Glas in der einen und ein Buch
mit dekadenten französischen Gedichten in der anderen Hand.
Flynn trug eine lange Lockenperücke in der Farbe von reinem
Gold und war unaufdringlich, doch kunstvoll geschminkt. Seine Arbeitskleidung und die schweren Stiefel waren Netzstrümpfen und Stilettos gewichen, und seine Fingernägel waren
in grellem Pink lackiert. Alles in allem sah Flynn sehr hübsch
aus, und er wirkte ganz und gar entspannt. Toby schloß die
Augen und schüttelte langsam den Kopf.
»Flynn, Ihr habt mir versprochen, daß Ihr das nicht tun würdet. Wir befinden uns nicht in zivilisierter Gesellschaft. Sie
würden es nicht verstehen. Und die Vertreter der Kirche von
Christus dem Krieger würden es ganz definitiv nicht verstehen.
Sie würden Euch auf der Stelle wegen Gotteslästerung und
Degeneration exekutieren lassen und mich gleich mit, nur weil
ich Euch kenne. Los, zieht Euch etwas an, das uns nicht augenblicklich um Kopf und Kragen bringt. Mutter Beatrice wartet
sicher nicht ewig auf uns.«
»Husch, husch, husch!« maulte Flynn. Er kippte den Rest
seines Marguerita hinunter, schob ein Lesezeichen in seinen
Gedichtband und stellte Glas und Buch behutsam zur Seite,
bevor er sich graziös vom Bett erhob. »Also schön. Ihr wartet
draußen, während ich mir etwas Unbequemeres anziehe. Und
vergeßt nicht – ich tue das für niemand anderen als die Ehrwürdige Mutter Beatrice. Die Frau ist wahrhaftig eine Heilige.«
Toby trat auf den Korridor hinaus und zog die Tür bis auf einen Spalt hinter sich zu, damit er die Unterhaltung weiterführen konnte – oder Flynn eine Warnung zuzischen, falls jemand
vorbeikam. »Von allen Kameraleuten im ganzen verdammten
Imperium mußte ich ausgerechnet bei Euch enden. Warum
nur?«
»Weil Ihr verzweifelt nach einem guten Mann gesucht habt
und weil niemand sonst mit Euch arbeiten wollte«, ertönte
Flynns Stimme von drinnen. »Immerhin habt Ihr Eure Lizenz
nur deswegen beantragt, weil Ihr auf der Flucht vor Eurem
Onkel Gregor seid. Rein zufällig hatte auch ich es ein wenig
eilig. Mein letzter Bewunderer war ein hochrangiger Mann in
einem der Clans, und er lief in seinen Privatgemächern genausogern wie ich in hübschen Kleidern herum.
Ein wunderbarer Mann. Er liebte das Jodeln. Mein Gott, wie
diese tiefen Töne vibrierten, wenn er den Kopf in meinem
Schoß hatte und gleichzeitig sang! Und was dieser Mann mit
einem Vokal alles anstellen konnte … Jedenfalls, wir hatten
einen Streit und trennten uns, und er wurde mit einemmal recht
besorgt, daß ich sein Geheimnis gegen einen angemessenen
Preis weitererzählen könnte. Wenn auch nur ein Wort über
seine privaten Neigungen nach außen dränge, würde ihn niemand in den Familien jemals wieder ernst nehmen. Ein wenig
Dekadenz ist schön und gut, wenn man Aristokrat ist, aber
nicht, wenn man sich damit lächerlich macht.
Als mir klar wurde, wie er über die Sache dachte, beschloß
ich, daß es besser für mich wäre, wenn ich der Stadt eine Weile
den Rücken kehren und mich in sicherer Entfernung verkriechen würde, bis er sich wieder beruhigt hat. Das ist der einzige
Grund, ais dem ich mich bereit erklärte, mit Euch zu arbeiten,
Toby Shreck.
Ihr müßt verstehen – Euer Ruf ist nicht gerade gut. Ein alternder Öffentlichkeitsarbeiter, der von einer Karriere als Reporter träumt und größenwahnsinnig ist. Nichts Persönliches,
versteht mich richtig. Wenn es Euch hilft, Ihr schlagt Euch
ganz gut bei dieser Sache hier. Ich habe schon mit schlechteren
Männern gearbeitet.«
Toby schnitt eine Grimasse und schwieg. Flynn hatte größtenteils recht. Toby hatte die meiste Zeit seines Lebens damit
verbracht, die Öffentlichkeitsarbeit für den alten Shreck zu
erledigen. Seine Familie hatte es ihm nicht gedankt, und die
Peers verachteten ihn sogar. Niemand wollte verstehen, wie
anstrengend gute Öffentlichkeitsarbeit war. Aber insgeheim
hatte er immer davon geträumt, ein echter Journalist zu sein,
der die Wahrheit ausgrub und Betrügereien und Korruption in
den gehobenen Schichten ans Licht brachte, anstatt beides auch
noch zu decken.
Aber irgendwie hatte Toby nie den Mut gefunden, den sicheren Hafen seiner Arbeit und den Schoß der Familie hinter sich
zu lassen. Seine ehrgeizigen Träume waren erst wieder erwacht, als man ihm einen Tritt gegeben hatte … Und jetzt befand er sich hier auf Technos III , und
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