Die Rebenprinzessin
hast?«
Martin lächelte. »Dafür möchte ich keinen Dank, das war selbstverständlich, und ich hätte auch jedes andere Mädchen vor ihm bewahrt.«
»Dennoch möchte ich dir danken. Hätte er tun können, was er wollte, hätte mich mein Vater erst recht mit ihm vermählt, damit ich nicht ins Gerede komme.«
»Ich hoffe sehr, dass dein Vater seine Heiratspläne rasch fallen lässt. Erst recht mit Roland von Hohenstein als Bräutigam. Dieser Kerl hat eine Schönheit wie dich nicht verdient.« Martin hob die Hand und ließ die Finger sanft über ihre Wange gleiten.
Bella schloss die Augen und atmete zitternd aus. Die Berührung weckte in ihr ein Verlangen, das sie zuvor nicht gekannt hatte. Schon seit dem Tag im Weinberg wusste sie, dass ihre Gefühle für Martin anders waren als alles, was sie anderen Menschen bisher entgegengebracht hatte.
»So, und wer hat sie deiner Meinung nach verdient?«, fragte sie, als sie die Augen wieder öffnete.
»Einer, der dich gut behandelt und von Herzen liebt.«
Auf diese Antwort sahen sie einander nur an. Bella öffnete zwischendurch den Mund, als wollte sie etwas erwidern, doch sie wagte nicht, die Worte, die ihr gerade durch den Sinn gingen, auch auszusprechen.
»Dein Vater hat mich zwar von der Burg vertrieben, und wahrscheinlich werde ich mich nie mehr vor eurem Tor blicken lassen können«, flüsterte Martin, nachdem er einen prüfenden Blick hinter die Säule geworfen hatte. »Doch … doch wäre es möglich, dass wir beide uns treffen könnten? Von Zeit zu Zeit?«
»Wo?«
»Heimlich, im Weinberg. Du könntest mir mehr über den Wein erzählen, und ich könnte dir Gesellschaft leisten, wenn dich Schlaflosigkeit wieder mal heimsucht.«
Bella nickte. »Ja, das tue ich, aber hältst du das für klug? Wenn die Männer meines Vaters dich erwischen …«
»Das werden sie nicht, glaub mir. Außerdem, wer von den Wächtern ist morgens um die dritte Stunde herum wach?«
»Es ist dennoch gefährlich.«
»Was wäre das Leben ohne Gefahr?«, fragte Martin leichthin zurück. »Ein kleiner Reiz muss an der Sache schon sein, sonst macht es keinen Spaß.«
»In diesem Falle könnte der Reiz dich das Leben kosten.« Der Blick, den Martin ihr jetzt zuwarf, ließ sie innehalten.
Schweigend sahen sie sich an, bis Martin sanft sagte: »Ich habe schon einmal mein Leben für dich aufs Spiel gesetzt. Ich würde es jederzeit wieder tun. Auch wenn ich nur ein einfacher Bursche bin.«
Bella nahm seine Worte mit einem Nicken hin. Gleichzeitig zeigte ihm ihr aufflammendes Lächeln, dass ihr sein Stand egal war.
Nur zu gern hätte sich Martin ihr zu erkennen gegeben, doch würde sie ihn dann noch immer mögen?
»Wie soll ich aus der Burg kommen?«
»Erinnerst du dich noch an das Seil, das ich bei mir hatte, als du mich früh am Morgen auf dem Hof ertappt hast?«
Bella nickte.
»Ich habe es im Stall versteckt, unterhalb der Tränke. Du könntest damit aus dem Fenster klettern und anschließend zu der kleinen Pforte laufen. Ich werde mich durch das Gebüsch kämpfen und im Weinberg auf dich warten. Was hältst du davon?«
Bella dachte an ihre Kletterpartie mit dem Bettlaken, die ihren Vater zu Tode erschreckt hatte. Der Gedanke, Nacht für Nacht wie eine Taube ihrem Bau zu entfliehen, gefiel ihr. »Also gut, ich werde es gleich nach meiner Rückkehr versuchen.«
»Bella!«, erklang nun die Stimme des Grafen. Das war das unmissverständliche Zeichen dafür, dass der Streit beendet war und sie gehen musste.
»Also, bleibt es dabei? Morgen Nacht im Weinberg?«
Bella zögerte zunächst noch, dann nickte sie. »Ich werde da sein.«
»Und ich werde auf dich warten.« Sanft streichelte er ihr über die Wangen, dann entzog sich Bella ihm.
Wieder bei ihrem Vater angekommen, fühlte sich die Grafentochter, als hätte sie stundenlang in lodernde Flammen geblickt. Ihre Wangen glühten, ihre Augen brannten, ihr Herz zappelte wie ein gefangener Fisch, und ihre Knie waren butterweich. Wie sollte sie all diese Empfindungen nur gegenüber ihrem Vater verbergen?
»Wo warst du?«, fragte er streng.
Sie senkte den Blick. »Ich dachte, ich hätte jemanden gesehen, den ich kenne«, antwortete sie, und damit er gar nicht erst auf die Idee kam, dass es Martin gewesen sein könnte, fügte sie rasch hinzu: »Eine Schülerin aus dem Kloster. Einige der Mädchen sollten bald zu ihren Familien zurückkehren.«
Der Graf musterte seine Tochter noch eine Weile misstrauisch, dann nahm er ihre Hand und
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