Die Rebenprinzessin
tobte vor Zorn, als er das Fehlen seines Sohnes bemerkte. Wütend trat er gegen die Truhe neben der Tür, deren offenstehender Deckel daraufhin zuklappte. Dumpf hallte es durch den Raum, doch das Geräusch wurde sogleich vom wütenden Schimpfen des Burgherrn verschluckt.
»Vermaledeiter Nichtsnutz! Ich hatte dir doch gesagt, dass du die Burg nicht verlassen darfst.«
Schnaufend trat er an das offenstehende Fenster. Das zusammengedrehte Laken, das am Kreuz festgemacht war, flatterte im Wind, der den Turm umwehte.
Eigentlich hätte er stolz auf seinen Sohn sein können. Immerhin war Martin kein Dummkopf, der sich nicht zu helfen wusste. Aber in diesem Falle wünschte sich Gernot von Bärenwinkel, dass der Geist des Jungen weniger hell sein mochte.
»Elender Haderlump«, schimpfte er weiter. »Warum hat mich Gott nur mit solch einem Sohn gestraft?«
Als eine Antwort ausblieb, sagte er sich erneut, dass seine Kinder mit Gabriela sicher mehr in seinem Sinne geraten wären: folgsamer, nicht so rebellisch und mit weniger Flausen im Kopf. Was das anging, kam Martin ganz nach seiner Mutter!
Bevor der Graf auch auf seine selige Gemahlin schimpfen konnte, tauchte Giacomo hinter ihm auf.
»Euer Sohn ist anscheinend listenreicher, als wir dachten.«
»Ich muss den Wachen Bescheid geben«, polterte der Graf los. »Sie müssen ihn aufhalten.«
»Ich glaube nicht, dass er noch in der Burg ist. Er kennt das Gebäude sehr gut, vermutlich ist er längst über alle Berge.«
»Und wohin? Zur Katzenburg kann er nicht, Graf Rudolph würde ihn bei lebendigem Leib häuten, wenn er ihn erwischt. Aber vielleicht ist er zu dieser … Metze zurückgekehrt.« Beinahe hätte Gernot von Bärenwinkel Rosalia eine italienische Metze genannt, doch angesichts seines Boten verkniff er es sich noch rechtzeitig.
»Ich bin eher sicher, dass er noch einmal versuchen wird, der Grafentochter habhaft zu werden«, entgegnete Giacomo. »Immerhin hat er für das Mädchen Kopf und Kragen riskiert. Wenn Ihr mich fragt, hat sie ihm ganz gewaltig den Kopf verdreht.«
Graf von Bärenwinkel schnaufte zornig. Wenn ich Martin nicht aus Italien fortgeholt hätte, wäre das alles nicht passiert, dachte er. Jetzt habe ich nicht einmal den ersehnten Weinstock. Nur einen Pakt mit Roland von Hohenstein, von dem noch ungewiss ist, welchen Wert er hat.
»Wenn Ihr wollt, stöbere ich ihn auf und bringe ihn zurück.«
Der Graf war bereits gewillt zuzustimmen, doch dann kam ihm plötzlich ein Gedankenblitz. »Vielleicht sollten wir ihn doch tun lassen, was er will«, sagte er und erntete einen verwunderten Blick des Boten. Bevor der Italiener jedoch fragen konnte, weshalb der Herr seine Meinung geändert hatte, fügte dieser hinzu: »Wie du weißt, hat uns der Fürst von Hohenstein aufgesucht.«
»Ja, Euer Gnaden.«
»Er will Rudolph von Katzenburg ruinieren und braucht dazu einen fähigen Gehilfen.« Jetzt blickte er dem Boten direkt ins Gesicht. »Ich habe Euch dafür vorgeschlagen, Giacomo.«
Ein flüchtiger Ausdruck des Erstaunens erschien auf dem Gesicht des Boten. »Mich?«
»Ihr seid mein bester Mann. Außerdem dürftet Ihr Euch mit dem, was Fürst von Hohenstein fordert, am besten auskennen.«
Giacomo schwieg einen Moment lang verwirrt. »Was soll das sein, Euer Gnaden?«
»Graf von Katzenburg nach allen Regeln der Kunst zu schaden. Wie der Fürst sich das genau vorstellt, wird er dir selbst mitteilen. Aber ich bin sicher, dass ich danach eine Sorge weniger haben werde.« Er lachte kurz auf und fügte dann hinzu: »Eigentlich will ich damit sagen, dass Martin ruhig ein wenig Unruhe bei meinem Widersacher stiften soll. Vielleicht gelingt es ihm ja sogar, diese Bella zu befreien und wirklich mit ihr zu flüchten. Wenn Graf von Katzenburg das mitbekommt, wird er seine Männer noch einmal losschicken, um sie zu suchen. Vielleicht reitet er diesmal sogar selbst mit. Auf jeden Fall wird die Katzenburg dann ihres Schutzes beraubt sein, und egal was Roland von Hohenstein vorhat, er wird leichtes Spiel haben.«
Der Graf schien überzeugt, doch Giacomo blieb weiterhin skeptisch. Was sollte er tun, um dem Graf von Katzenburg zu schaden? Er war ein Spion, und wenn es die Situation erforderte, auch ein Mörder. Aber ein Saboteur? Und das inmitten von zahlreichen Söldnern? Doch es war noch nie seine Art gewesen, vor anderen klein beizugeben. Seinem Herrn zu gestehen, dass er sich für eine Aufgabe nicht in der Lage fühlte, war für ihn daher undenkbar. »Ich werde
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