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Die Rebenprinzessin

Die Rebenprinzessin

Titel: Die Rebenprinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corinna Neuendorf
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sich zurückzuziehen. Auch wenn er wusste, dass der Fürst nicht hinsah, verneigte er sich noch einmal und verschwand so lautlos wie ein Schatten in Richtung Lager.

27. K APITEL
     
    Gegen Morgen erreichten sie eines der Dörfer, die zum Lehen von Bellas Vater gehörten. Es befand sich etwas abseits, so dass der diesjährige Ritt zur Weinlese nicht bis hierher geführt hatte. Kahle Bäume reckten ihre Äste wie Knochenfinger in die Luft. Nebel waberte auf den Feldern, und die Dächer der Behausungen schimmerten feucht im Morgenlicht. Ein sumpfiger Geruch legte sich schwer auf Bellas und Martins Lungen.
    Auf der Straße war bis auf einige Hunde, Hühner und Schweine noch niemand zu sehen. Angesichts der herrschenden Kälte waren die Leute nicht darauf erpicht, zu dieser Stunde vor die Tür zu gehen. Lediglich das Schlagen eines Schmiedehammers war zu vernehmen, und der Schornstein der Schmiede war der einzige, der bereits heftig rauchte.
    »Lass uns dort fragen, ob wir etwas Proviant und Wasser bekommen können«, schlug Martin vor.
    Bella schüttelte den Kopf. »Hier gibt es eine Schenke. Der Wirt kann uns sicher besseres Wasser geben, außerdem müssen wir der Familie des Schmieds dann nichts wegessen.«
    Martin stimmte ihr zu und trieb sein Pferd wieder an.
    Die Straße entpuppte sich als ein schlammiges Band, auf dem die Pferde nur mühsam vorankamen. Hier und da war der Boden so stark aufgeweicht, dass die Tiere mit den Hufen tief einsanken. Die Jauche, die aus den Misthaufen floss, und die ausgeleerten Nachtgeschirre taten ein Übriges. Der Geruch, der durch die feuchte Luft strömte, hätte sie auch zu Nachtzeiten und ohne eine Fackel sicher ans Ziel geführt.
    Die Schenke, die den Dorfmittelpunkt bildete und neben einer mächtigen Eiche stand, wirkte baufällig, trotzte aber tapfer Wind und Wetter. Das Schild mit dem großen Eber, das neben der Tür baumelte, schaukelte verwittert im Morgenwind.
    Wie sie sehen konnten, war auch hier schon jemand bei seinem Tagwerk. Eine junge Magd stand in ein dickes Wolltuch gehüllt vor der Tür und fegte den Fußtritt.
    Als die Reiter vor der Schenke haltmachten, blickte die Frau beinahe furchtsam auf, dann stellte sie den Besen weg und huschte in die Schenke.
    »Nette Begrüßung«, meinte Martin nur und saß ab.
    Bella, die es ihm gleichtat, entgegnete: »Ich glaube nicht, dass das Mädchen weggelaufen ist. Sie wird nur dem Wirt Bescheid geben, dass Gäste da sind.« Damit schritt sie durch die offenstehende Tür.
    Genau in diesem Augenblick versetzte der Wirt seiner Magd eine Ohrfeige. »Wie oft habe ich dir schon gesagt, dass du die Tür bei diesem Wetter nicht …«
    Bevor er die Tirade beenden konnte, bemerkte er Bella und Martin, der ebenfalls eintreten wollte. Augenblicklich fiel die zornige Miene von ihm ab und wich der Maske aufgesetzter Freundlichkeit. »Willkommen, meine Herrschaften, wie kann ich zu Diensten sein?« Mit einer knappen Handbewegung scheuchte er die Magd hinter den Vorhang jenseits des Schanktisches.
    Angesichts der Behandlung, die er dem Mädchen zuteilwerden ließ, wallte in Bella der Zorn auf. Doch wenn sie hier Proviant haben wollten, musste sie wohl oder übel darüber hinwegsehen. »Wir wären Euch sehr verbunden, wenn Ihr uns zwei Schläuche sauberes Wasser und etwas zu essen überlassen könntet. Wir sind auf der Durchreise, und weit und breit seid Ihr die einzige Schenke.«
    Dem Wirt schienen ihre Worte zu schmeicheln, denn sogleich schob er seine Brust vor, als gelte es, eine Frau zu umwerben. »Bei mir sollt Ihr alles bekommen, was Euer Herz begehrt. Nehmt nur an einem der Tische Platz, ich kümmere mich sofort um Euch.«
    Bella ließ den Blick durch den Raum schweifen. Dies ist kein Ort, an den ich mich zu Nachtzeiten allein wagen würde, dachte sie. Die Fenster verschluckten das Licht mehr, als sie es durchließen, und die geschwärzten Balken verliehen den nachlässig gekalkten Wänden zusätzliche Finsternis, und der Boden war nur schlecht gefegt. Aber auch wenn nicht so viel Schmutz herumgelegen hätte, hätte die Schenke keine Gastlichkeit verströmt.
    Bella warf Martin einen unbehaglichen Blick zu. Ihr Gefühl sagte ihr, dass sie an diesem Ort nicht bleiben sollten. Ihr Gefährte ließ sich allerdings nichts anmerken. Um die Aufmerksamkeit des Wirts, der Bella unverhohlen anstarrte, ein wenig abzulenken, trat er zu ihm an den Tresen.
    »Ich muss schon sagen, dass in letzter Zeit allerhand merkwürdige Leute in unser Dorf

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