Die Regentin (German Edition)
und ebenso viele Duces. Und doch musste ich jeden Tag darum kämpfen, dass mir mein Gatte keine Konkubine vor die Nase setzt und mich ins Kloster abschiebt.«
»Als ich dir das erste Mal unter die Augen kam, Leutsinda, hast du mich angebrüllt, Erchinoald sei ein solch guter Mann – und Gefahr für seine Tugend drohe ihm einzig von einer Schändlichen wie mir.«
»Ich habe ihm nie gefallen, ich war ihm zu klein und zu dürr«, fuhr Leutsinda fort, ohne auf Bathildis’ Worte zu achten. »Mein Gesicht habe nichts Edles, sagte er in der Nacht, als er mich zur Frau genommen hatte. Dann legte er sich auf mich, ohne mich zu schonen. Es ist doch erstaunlich, dass Männer auch Lust bei einer Frau finden, die ihnen widerwärtig ist, nicht wahr? Die ersten Jahre war ich wie erstarrt... ich dachte stets, es läge an mir, dass er so lieblos war. Doch irgendwann ging mir auf, dass er mich klein halten wollte, dass ich ihm nicht mehr bedeutet hätte, wäre ich schön gewesen. Er hat sich nie sonderlich für seine Familie interessiert. Nicht für seinen Sohn, nicht für seine beiden Töchter. Stets drehte sich alles um den König und die Macht, die er an dessen Stelle ausübt... vielleicht auch noch um die Kirche, von der er sich sein Seelenheil erkaufen kann. Von mir wollte er nie etwas anderes als mein Schweigen. Erst als ich den Mund öffnete, um ihn anzuklagen, begann er, sich nach einem weichen, netten, warmen Mädchen zu sehnen – vorher nicht.«
Bathildis wähnte Leutsindas Redekraft mit jedem Wort versiegen. Doch kaum dass sie einen Satz geendigt hatte, so reihte sich ein weiterer daran, sie redete mühsam, aber stetig. Ihr Mund war eine große, schwarze Wunde, die einfach nicht ausblutete.
»Ich will das nicht hören!«, rief Bathildis, als die andere kurz verschnaufte. »Es interessiert mich nicht!«
Leutsinda schien es freilich gleich zu sein, ob sie blieb und zuhörte oder nicht. »Er hat mir stets gedroht, den Scheidungsbrief auszustellen. Und ich frage mich bis heute, warum ich solche Furcht hatte, er könnte es tun. Wäre ich nicht besser dran gewesen ohne ihn? Hat er nicht stets etwas von mir gefordert, was er nicht verdiente – nämlich meine bedingungslose Willfährigkeit? Warum aber hätte ich gehorsam, ja freundlich gegen ihn sein sollen, wenn er es gegen mich nicht war?«
»Hör auf!«, rief Bathildis und war doch nicht entschlossen genug, ihr einfach den Rücken zuzuwenden. »Hör auf!«
Der Mund der Sterbenden verzerrte sich. Die Haut der Lippen war so trocken und gelblich, als hätte sie schon zu verwesen begonnen. »Es ist ein ungerechtes Geschäft, das zwischen Männern und Frauen geschlossen wird. Ich weiß, wie man über mich redet... dass ich ein zänkisches, bösartiges Weib sei. Hat man über ihn geredet, in jenen Tagen, da ich noch jung und unschuldig war... und er mich zerstörte?«
Bathildis schwieg verstockt.
»Glaub nicht, dass es dir besser ergehen wird als mir«, fuhr Leutsinda fort. »Ab heute musst auch du alles tun, um deinen Gatten bei Laune zu halten – ganz gleich, was er dir antut. Für dich ist es noch schlimmer: Denn ich komme aus guter Familie und du aus dem Nichts. Niemand wird sich erregen, wenn dich der König morgen verstößt und übermorgen eine andere nimmt. Wir sind ihnen ausgeliefert, wir Frauen. Wir können über unser Geschick nicht bestimmen. Wir können...«
»Das ist wohl wahr!«, rief Bathildis heftig. »Ich kann nichtüber mein Leben bestimmen – und du nicht über deines. Aber du hättest mir zu einem besseren Los verhelfen können! Stattdessen hast du mich willentlich in den Staub getreten. Bei dem üblen Geschäft, von dem du vorhin sprachst, hast du eines vergessen: Dass du die Erste warst, die es mitgetragen hat – beginnend an jenem ersten Tag, da du mir vorgeworfen hast, ich würde ihn verführen wollen. Obwohl du wusstest, dass es anders war!«
Leutsinda heulte auf – es war nicht gewiss, ob vor Reue oder vor Schmerz oder einfach weil es unerträglich war, über das eigene Leben nachzusinnen. Hernach verstummte sie; vielleicht war dieses Heulen der letzte Laut gewesen, der jemals aus ihr gekrochen kam.
Bathildis jedoch war nicht in der Laune, sie zu schonen. »Du hast die Wut auf deinen Gatten in bitterste Strafe gegen mich gewandelt! Du hast mich wie Abschaum behandelt, weil ich ihm kurze Zeit gefiel, obwohl ich es ganz sicher nicht bezweckte! Du hast... du bist...«
Leutsinda schloss die Augen, versiegelte die Lippen. Dass sie, vom
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