Die Regentin (German Edition)
eigenen Elend erleichtert, nicht auf das ihre hören wollte, machte Bathildis rasend. Es ärgerte sie, der Alten zugehört zu haben. Es ärgerte sie, dass jene gemeinsam mit Itta versucht hatte, sie bloßzustellen
»Du böse, widerwärtige alte Vettel«, schrie sie. »Du niederträchtiges Weibsbild! Warum hast du mir das Leben schwer gemacht? Warum hast du nur an dich und dein Leid gedacht?«
Sie erreichte die andere nicht mehr – Leutsinda lag da wie ein Leichnam, selbst die Blutungen und Magenkrämpfe schienen aufgehört zu haben. Doch dass die eigene unfreiwillige Lebendigkeit an der Starre der anderen verpuffte, wollte Bathildis nicht gelten lassen. Sie packte Leutsinda, zuerst an der Schulter, dann am Hals, packte und schüttelte und würgte sie.
»Du verfluchtes, abscheuliches, niederträchtiges Weib!«
Sie scherte sich nicht darum, dass draußen vor dem Gemachgewiss manche lauschten. So wütete sie, bereit, der anderen eigenhändig den letzten Lebenshauch auszutreiben – ähnlich, wie sie seinerzeit auf den schon toten Sicho eingeschlagen hatte. Nur, Leutsinda lebte noch, und kaum konnte Bathildis sich entsinnen, in den letzten Monaten eine Befriedigung verspürt zu haben, die jener gleichkam, die Verhasste zu ermorden!
Beinahe war sie erstaunt, dass sich kein mahnendes Gewissen in ihr regte, kein Unbehagen, kein Ekel. Erst als die Gequälte ihre Augen wieder aufriss und solcherart verriet, dass sie sich noch nicht in die jenseitige Welt verflüchtigt hatte, fiel Bathildis etwas ein, was sie zurückhielt, die schändliche Tat bis ins Letzte zu vollziehen.
XVII. Kapitel
Am Tag nach der eigentlichen Hochzeit, welche eine Woche später stattfand, jedoch – so wie es üblich war – viel schlichter ausfiel als das Verlöbnis, kamen die Großen des Reichs an den Königshof, um Chlodwig zu diesem Anlass eine Dona zu übergeben, ein Geschenk, das den Kronschatz mehren sollte, so wie es auch stets beim Anbruch des neuen Jahres geschah. Ein jeder durfte selbst den Wert dieser Gabe festlegen, doch keine Sippe wollte der anderen nachstehen, und so übertrumpften sie einander mit sichtbaren Zeichen dafür, dass sie zum Reich der Franken zählten und den Spross der Merowinger als König anerkannten. Gemünztes wie ungemünztes Gold und Silber wurden dargebracht, Schmuck, Edelsteine und Waffen, Wagen und kostbar gearbeitete Gerätschaften und schließlich wertvolle Pferde. Aus allen Teilen des Landes kamen die Gäste, aus dem Tal der Somme oder der Canche, von der Authie, von Huchenneville und Abbeville, von Ferrières und Amiens.
Bathildis saß steif neben dem König, ähnlich schlafwandlerisch wie am Tage des Verlöbnisses, ehe der enge Schuh ihr Gemüt geweckt hatte. Doch diesmal war die Starre nicht Verwirrung über die sich überstürzenden Ereignisse oder Hadern mit dem unerwarteten Geschick. Aus einem grimmigen Schwur war sie geboren worden, den Bathildis am Totenbett der Leutsinda geleistet hatte. Was nützte es, mit Wut und Rachsucht gegen dieses Leben und gegen jene, die es verursacht hatten, loszugehen?Was würde es ihr anderes einbringen als sündige Gedanken und Taten – und würden jene sie nicht noch mehr von Aidan trennen als die erzwungene Eheschließung?
Um sich darin zu bestärken, hielt sie den Entschluss fest. Am Tage der Hochzeit schrieb sie an Aidan – auf Papyrus, nicht in die Asche, was dem Geschriebenen noch mehr Gewicht gab.
O, Aidan, Geliebter, noch kann ich es nicht recht begreifen, man nennt mich Königin! Widersinniges Geschick, das mich zu solchem Ruhme führte, den ich so sehr verachte – denn er trennt mich von Dir!
Gewiss, ich hätte die Macht, mich zu rächen an jenen, die mir das Sklavendasein so unerträglich machten. Doch könnte das bedeuten, dass ich nichts weiter als Sünden auf mich lade und meine Seele so schmutzig wird wie meine Hände sauber werden. Gott würde mich strafen, in der hiesigen Welt oder in der nächsten, ließe ich meinem Zorn freien Lauf. Und die Strafe, so denke ich mir, könnte nicht anders sein, als dass ich dich nie wiedersehe, denn der Allmächtige weiß, womit er mir das größte Leid zufügen kann.
Ich wünschte, ich könnte den Plan erahnen, den Er, welcher Mächtige vom Thron stürzt und Niedrige wie mich erhöht, für mein Leben hat! Und noch mehr wünschte ich mir, ich könnte nun – da ich von Staub und Asche befreit bin – Mittel und Wege finden, von Deinem Geschick zu erfahren!
Ja, dies war ihr Ziel geworden: Nicht länger mit
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