Die Regentin (German Edition)
es hinunter, ohne zu kauen, krümmte sich vor Leibschmerzen und setzte sein Tun doch fort.
Bathildis stand händeringend.
Er wusste also, was sie getan hatte. Er wusste, dass sie sich nicht mit ein paar freundlichen Worten eines northumbrischen Knaben begnügt hatte. Überzeugt, dass er gewiss nicht allein den weiten Weg genommen hatte, hatte sie hernach nach seinen Begleitern fahnden lassen und schließlich Unterredung mit einem Mönch gehalten, der König Oswine von der Erziehung und dem Wohlbefinden des Knaben zu berichten hatte.
Sie hatte keine nüchterne Überlegung walten lassen. »O bitte!«, hatte sie gerufen, war vor ihm auf die Knie gefallen und hatte ihre Geschichte erzählt, hatte von dem Mann gesprochen, mit dem sie verlobt worden war, lange bevor sie König Chlodwig traf, dessen Vater Ricbert hieß und den der northumbrische König gewiss sehr gut kannte.
»O bitte! Ich muss wissen, ob er lebt, ob er heimgekehrt ist! Und er muss von mir wissen, dass ich...«
Der Mönch hatte verständnislos gestarrt. Dass eine Sklavin hierzulande Königin werden konnte, deuchte ihn wohl ein seltsamer Brauch. Dass jene sich aber derart gebärdete, machte ihn fassungslos.
Erneut war sie unfähig zu berechnendem Handeln.
»Er ist der Grund, dass ich noch lebe!«, schluchzte sie auf. »Ich hätte mich aufgegeben, hätte der Gedanke an ihn mich nicht aufrechtgehalten, ebenso der Schwur, den wir uns gegeben haben – einander nicht zu vergessen, nach dem jeweils anderen zu suchen. Bitte, ich muss wissen, ob er lebt. Wie anders sollt ich mein Dasein hier ertragen?«
Ja, so hatte sie zu dem Mönch gesprochen.
Nun krümmte sich der König immer mehr. Mit beiden Händen aß er, das eine Stück in den Mund stopfend, während die andere Hand das nächste nahm. Allein bei seinem Anblick wurde Bathildis übel – und ihm konnte auch nicht wohl sein, denn irgendwann stieß er grob das Tischchen um, auf dem die Schüsseln standen, und beugte sich nach vorne, um alles auf den Boden zu speien, was er in sich hineingefressen hatte.
Bathildis sprang zurück, doch fettige Tropfen spritzten an ihr hoch, indessen er würgte.
»Ich habe es erfahren«, brachte er zwischendurch hervor. »Du... du lässt nach diesem Mann suchen. Hinter meinem Rücken! Du hast mich belogen und betrogen!«
Säuerlicher Geruch stieg hoch; sie presste ihre Hände vor den Mund.
»Nein, das habe ich nicht!«, rief sie panisch. »Niemals habe ich dir etwas vorgemacht, dich lediglich angefleht, mich heimkehren zu lassen. Aus welchem Grunde wohl? ... Aber du! Du hast mich belogen! Du hast mir versprochen, mich gehen zu lassen – und dann hast du mich gegen meinen Willen hier behalten!«
Eine Weile hockte sein Körper wie starr. Dann fiel er nach vorne, packte ihre Füße, erbrach weitere Stücke unverdauten Fleisches.
»Hör auf!«, schrie sie – panisch und wütend und voller Ekel. »Ist dein Anblick nicht schlimm genug? Willst du mir nun auch noch deine Innereien vor die Füße spucken?«
»Wage nicht, so mit mir zu reden! Ich bin der König, und du bist eine Sklavin! Ich habe dich aus dem Nichts geholt, und so dankst du mir?«
Ihr Körper begann zu zittern. Eine fremde Macht beutelte sie, trieb Tränen in ihre Augen, so heftig, dass sie nicht gemächlich über die Wangen tropften, sondern so sprühten wie sein speichelspeiender Mund.
»Ich habe dich nicht darum gebeten! Ich bin dir nichts schuldig!«
Nach dem Erbrechen hatte er gebeugt gehockt. Erst jetzt blickte er auf, sah sie zum ersten Mal an diesem Abend an, zuerst waidwund, dann stierend. Er griff sich wieder an den Kopf.
»Du schuldest mir Respekt! Und Treue!«, rief er, um dann zu wiederholen: »Ich bin der König! Ich bin der König!«
Sein Anblick dauerte sie – so wie beim ersten Mal, da sie seine Traurigkeit gewahrt hatte. Doch längst war ihr Gemüt besetzt von anderem Kummer. Sie stieß sämtliches Mitleid, das er in ihr zeugte, mit blinder Wut zurück.
»Du willst ein König sein?«, schrie sie aufschluchzend. »Würde sich ein solcher jemals an eine Sklavin klammern, sich von ihr Ratschläge geben lassen? Mir scheint, das einzige Talent, was du im Übermaß bekommen hast, ist das Fressen – nicht jedoch, ein Land zu lenken. Denkst du, deine tote Mutter Nanthild wäre stolz auf dich?«
»Wage nicht, ihren Namen in den Mund zu nehmen!«, gab er zurück, nunmehr gefährlich raunend.
Aufschluchzend schlug sie sich die Hände vors Gesicht.
»Du warst es doch, der mich mit
Weitere Kostenlose Bücher