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Die Regentin (German Edition)

Die Regentin (German Edition)

Titel: Die Regentin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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heftig, so lieblos, so gierig, dass unter ihrem gequälten Aufschrei endlich ihr jungfräuliches Blut zu fließen begann.
    Hernach musste er von ihr abgelassen und sie sich in den Gang geflüchtet haben. Oder hatte er ihr den letzten Tritt gegeben, auf dass sie dorthin gerollt war?
    Sie drückte die feuchte Hundeschnauze fort. Wiewohl die Türe zum Schlafgemach geschlossen war, vernahm sie dennoch die Stimme, die dahinter rief. Es war Chlodwig, und er wiederholte stets aufs Neue ihren Namen.
    »Bathildis... Bathildis... Bathildis...«
    Sie antwortete nicht, denn sie hatte nicht das Gefühl, er riefe nach ihr.
    Sie hatte keine Sklavin mehr sein wollen, hatte sich gewünscht, wieder ihren Namen zu tragen. Doch nun gehörte dieser Name nicht länger ihr, sondern einer fremden, unbegreiflich fernen Königin der Merowinger, die nichts mit ihr zu tun zu haben schien.

Drittes Buch
    Die Königin
    A.D. 649–657

XVIII. Kapitel
    Geliebter Aidan,
    vielleicht ist es widersinnig, Dir zu schreiben. Vier Jahre sind seit meiner Eheschließung mit dem König von Neustrien-Burgund vergangen, und in all den Jahren erreichte mich niemals ein Lebenszeichen von Dir. Wie auch? Selbst für den Fall, dass Du zurückgekehrt wärst – Chlodwig würde gewiss alles tun, damit niemals eine Nachricht von Dir bei mir ankäme.
    Er hat es mir strengstens untersagt, jemals wieder einen Boten nach Northumbrien zu schicken. Es wäre sinnlos, diesem Verbot zuwiderzuhandeln – wo er doch mit Argusaugen darüber wacht, wer mir zu nahe kommt, wer mit mir zu reden sucht. Ich glaube auch, er hat Gertrude damit beauftragt, ihm regelmäßig zu berichten, was in den Frauengemächern geschieht. Nun – es ist nicht viel, bin ich doch seine Gefangene.
    Als solche zumindest fühle ich mich. Ich weiß, der König kann es nicht verstehen – so wenig wie alle anderen hier –, dass ich mich so sehr nach Freiheit sehne, dass ich noch immer an Dich denke, wiewohl es viel nutzbringender wäre, mich ihm liebevoll zuzuwenden. Allein, ich kann es nicht. Ich habe zwei Söhne geboren, Chlothar und Childerich, doch ich betrachte sie mehr als die seinen als die meinen. Sie sehen Dir nicht ähnlich und haben eine Heimat, die mir stets fremd bleiben wird.
    Nie wollte ich Königin von diesem Land werden; selbst jetzt bin ich’s nur in dem Maße, da man es von mir erzwingen kann. Wenn Chlodwig mit mir über Politik reden will, so schweige ich. Wenn wir von Königspfalz zu Königspfalz ziehen, so verstecke ich mich jedes Mal in den Frauengemächern, kaum dass wir angekommen sind.
    Bathildis ließ die Feder sinken. Sobald sie das Schreiben beendet hatte, fügte sie sich gedankenlos in den selbstverständlichen Ablauf, dem ihre Tage unterlagen. Bis auf die Zeit, die der Hof mit dem Reisen zubrachte, glichen sie einander bis ins Kleinste, schlichtweg, weil sie ihre Wahl, was sie denn tun wollte, darauf beschränkte, entweder an Aidan zu schreiben – dies waren die lichten Momente ihres Lebens – oder mit leerem Blick den Tag über sich ergehen zu lassen.
    In ihrem Gemach lauschte sie weder auf das Geschwätz ihrer Damen, falls sie sie nicht ohnehin fortschickte, noch beteiligte sie sich an deren Webarbeiten. Ziellos schritt sie stattdessen im Zimmer auf und ab, um manchmal unwillkürlich innezuhalten, nach Wasser zu verlangen, das in eine Zinnschüssel gegossen wurde, und sich darin die Hände zu waschen, manchmal so lange, bis jene rot und rissig waren.
    Wenn sie hernach die Finger betrachtete, so schien zumindest ein wenig von dem Geist, den sie allein dem Gedenken an Aidan vorbehielt, in ihre ansonsten leere Hülle zurückzukehren, und sie sagte sich wieder und wieder vor, dass sie sauber und dass dies gut wäre.
    Ansonsten trug sie ihr Leben wie fremde Kleidung. Sie hielt sich an die Verpflichtung, sie nicht schmutzig zu machen oder zu zerreißen, aber sie streckte nie wohlig die Glieder darin aus, blieb stets vorsichtig angespannt, so wie damals nach der Hochzeit, als sie in zu engen Schuhen den Tag zu überstehen hatte.
    »Meine Königin?«
    Eine forsche Stimme ließ sie hochschrecken. Kaum jemand wagte es, in das öde, dumpfe Land ihrer Gedanken vorzudringen, sie gar von dort in die Wirklichkeit zurückzuholen – nureine mühte sich ebenso regelmäßig und vergebens um ihre Aufmerksamkeit.
    »Wollt ihr sie sehen? Soll ich sie holen?«
    Bathildis schüttelte sachte den Kopf. Nach dem Schreiben war sie zum Fenster hingetreten, eines der wenigen, das aus dem seltenen,

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