Die Regentin (German Edition)
lachte sie verkrampft. »Ha! Und was war der Grund für dieses Gesetz? Die Sorge um das Wohl des Sklaven? Oder die Sorge, dass jener Sklave sich zum Judentum bekehren könnte, denn dann wäre sein Besitzer nach dem mosaischen Gesetz verpflichtet, den Sklaven nach sieben Jahren freizulassen...«
Ihr Einwand blieb ungehört. »Desgleichen«, fuhr der Mann kühl fort, »ist es längst verboten, fränkische Sklaven in fremde Länder zu verschleppen. Ihr müsst uns zugestehen, Königin, dass wir gegen jene Krankheit, wie Ihr das Übel der Sklaverei genannt habt, viel mehr getan haben, als die Heilige Schrift fordert.«
»Aber es ist nicht verboten, aus eben diesen fremden Ländern Sklaven hierher zu verschleppen!«, rief Bathildis, und ihre Stimme kippte endgültig. Umso schmachvoller war es, weil sich an jenen brechenden Ton kein weiteres Argument anschloss,sondern eine Stille, unzureichend ausgefüllt von unangenehm berührtem Hüsteln und verstohlenem Kichern.
Erst nach einer Weile, peinvoll für sämtliche Ohren, begann jemand, in die Stille hineinzureden, ja eigentlich zu flüstern. Die Stimme kam von hinten; es war nicht gewiss, wem sie gehörte, aber sie triefte vor Häme.
»Dass Sklaven aus fremden Ländern hierher verschleppt werden, hat doch für manch einen in dieser Runde großes Glück gebracht, oder nicht?«
Bathildis zuckte zusammen; das Blut schoss ihr ins Gesicht. Mit herumirrendem Blick suchte sie jenen, der ausgesprochen hatte, was gewiss manch einer hier dachte: Dass sie doch selbst nichts weiter als eine Sklavin war. Dass es ihr ob ihrer Herkunft nicht zustand, ihnen derart zuzusetzen.
Doch keiner wollte sich durch ein wissendes Grinsen zu der gesagten Gehässigkeit bekennen. Ausdruckslos starrten alle sie an – und jetzo auch feindselig.
»Es ehrt dich, Königin, dass dich das Elend dieser Welt zu deinen Worten bewegt«, erklang es alsbald mäßigend, wiewohl noch immer kalt. »Doch wisse: Der Allmächtige verlangt vor allem, dass ein jeder Mensch sich mit seinem Los zufriedengibt. Heute magst du für die Unfreien eintreten, als wäre deren Wunsch nach Freiheit – gar häufig nicht deren ureigenes Bestreben, sondern ihnen angedichtet – ihr gutes Recht. Doch was ist morgen: Wirst du es auch gerecht nennen, wenn der Bauer Graf sein will oder gar nach der Königskrone greift?«
»Nun, unsere Königin hat so etwas erlebt: Wie man als Sklavin die höchste Würde erlangt...«
Diesmal erntete die Stimme sogar Gelächter. Es währte lange und war laut genug, dass manch einer daraus schloss, die Zusammenkunft sei hiermit beendet, die Förmlichkeit aufgehoben und es erlaubt, nun untereinander Worte auszutauschen.
Eine Weile stand Bathildis wie erstarrt, dann mühte sie sich, ein letztes Mal zu protestieren: »Sprecht Ihr so, weil Ihr es wahrhaftglaubt oder weil so viele Kirchen und Klöster Sklaven besitzen, ja weil ihr Bischöfe selbst Besitzer von Sklaven seid?«
Diesmal verbarg sich ihr Spötter und Widersacher nicht. Er hatte sich erhoben, war klein und rund, mit schwarzen Augen und trockener Haut: »Und wie verhält es sich bei dir, Königin?«, lästerte er. »Wer webt und wäscht deine Kleider? Kann es sein, dass du es selbst tust, so wie einst?«
Sie erkannte, wer dieser Mann war. Flüchtig streifte sein Name ihre Gedanken – und das Wissen um seine hohe Stellung, weil sein Bistum nicht zu Neustrien zählte, sondern zu Burgund. Aunemund von Lyon war es, und obwohl es in diesem Augenblick keinen Unterschied machte, wer er war, sondern einzig zählte, was er da sagte, würde sie dereinst, in vielen, vielen Jahren, zu einer Zeit, da sie jenen Disput beinahe vergessen hatte, wieder an seine schäbigen Worte denken.
Es war nicht gewiss, wie viele im allgemeinen Aufbruch diese Worte gehört hatten. In jedem Fall schritt keiner dagegen ein. Sie selbst konnte es nicht. Noch mehr errötete sie, fühlte sich entblößt und beschmutzt – und plötzlich unglaublich einfältig, weil sie derart gutgläubig vor diese Versammlung getreten war.
Sie vermochte die Demütigung nicht zu ertragen und floh vor ihr, indem sie sich wortlos abwandte und ging.
Sie hörte nicht, was Rigunth ihr nachrief. Das Mädchen hatte vor der Tür gewartet, vielleicht sogar gelauscht und antwortete nun auf das aufgewühlte Gesicht der Königin nicht mit dem üblichen ausdruckslosen Blick, sondern mit besorgter Miene – gleich so, als wäre eingetreten, was sie längst befürchtet hatte.
»Lass mich in Ruhe!«,
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