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Die Regentin (German Edition)

Die Regentin (German Edition)

Titel: Die Regentin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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hatte sie nie recht verstanden, was ihn antrieb, hatte es zumindest nie versucht, denn was immer auch hinter seinem Gesicht vorgehen mochte, welche Pläne in ihm spukten, welches Trachten – vor allem erinnerte es sie daran, dass er es gewesen war, der Chlodwig eine Ehe mit ihr angepriesen und der ihr niemals den Wunsch zugestanden hatte heimzukehren. Die alte Wut auf ihn flammte auf und vermischte sich mit ihrem Ärger über den unschönen Auftritt vor den Bischöfen.
    »Was soll ich gerade von dir erwarten, Ebroin?«, zischte sie.
    »Ach, meine Königin... hab’s dir doch einmal schon gesagt. Wem stünde ein Bündnis besser an als uns beiden? Bis auf den König haben wir hier keine Freunde, jedoch ein gemeinsames Trachten!«
    Obwohl unaufhörlich lächelnd, klang seine Stimme fordernd. Sie umfing sie – wie er seine Arme auf die Mauer gestützt hatte, einem Zaun gleich, der sie gefangen halten sollte.
    Argwöhnisch duckte sie sich. »Was sollte dieses gemeinsameTrachten sein?«, fragte sie. »Du schaust mir aus wie einer, der stets zum eigenen Wohle handelt!«
    »Du etwa nicht?«
    »Nein! Hier geht es nicht um mich. Der König hat mich aus dem niedrigen Stand erhoben. Wie könnte ich mich besser bei Gott bedanken, als wenn ich für jene eintrete, die ihr Los mit mir teilen?«
    Sein Adamsapfel zuckte – sie war nicht sicher, ob vor Belustigung oder Erregung.
    »So ist das also... Du tust es, um dem Allmächtigen zu gefallen. Nicht etwa, um zu erproben, wie es sich anfühlt, wenn man befehlen kann? Wenn man das eigene Geschick fest in seinen Händen hält, wenn man sein Leben lenken kann, anstatt gelenkt zu werden? Wenn die Macht, die man besitzt, größer ist als die Angst, sie wieder zu verlieren? Ach, Bathildis, sei ehrlich! Geht’s dir wirklich um das Los der Sklaven?«
    Er starrte sie abwartend an, ein wenig so, wie Rigunth es häufig tat. Nur jene plauderte niemals aus, was sie ergründete. Bei ihm hingegen mochte sich Bathildis des Eindrucks nicht erwehren, dass er mit wohligem Genuss ihr Gemüt entkleidete, dass er sich an ihrer Nacktheit weidete, dass er nicht das Beste von ihr ans Lieht zerrte, sondern die niedrigsten Gelüste.
    Sie straffte die Schultern, um ihn nicht erkennen zu lassen, wie sehr sie sich ertappt fühlte.
    »Freilich geht’s mir um das Los der Sklaven«, sprach sie, so hoheitsvoll, wie es ihr möglich war, und mit kaltem Stolz. »Wenn die Bischöfe nicht bereit sind, mir zu helfen, so werde ich eben...«
    »Und wenn du sie zwingen könntest, die Bischöfe, deinen Willen zu befolgen?«, fiel Ebroin ihr da schon ins Wort. »Wenn du über ihr Tun entscheiden könntest – und all jene bitter bestrafen, die dich geringschätzen? Der König ist schwach, Bathildis, das wissen wir beide. Er steht unter dem Einfluss der Bischöfe, tut, was sie ihm sagen, sie und die Großen des Reichs,und das hat sie anmaßend und hochmütig gemacht. Doch wir... wir könnten diese Macht brechen, wir beide! Ich allein bin nur des Königs Freund, der Spielgefährte aus der Kindheit, der Sohn seiner Amme. Und du allein bist nur seine Gattin, die Freude seiner Nächte, die Mutter seiner Kinder. Gemeinsam aber könnten wir ihm in den Ohren liegen, könnten wir all seinen Widerstand gegen Neuerungen brechen, könnten ihn endlich dazu treiben, mit beiden Händen nach der Macht zu packen, anstatt sie stets erleichtert abzugeben. ... Und dann... dann wär’s auch unsere Macht, und alle, die uns verachten, die uns zuwiderhandeln, würden damit nur ihr eigenes Verderben heraufbeschwören! Sollen die Männer Gottes sehen, wohin sie mit ihrer verfluchten Selbstgefälligkeit kommen!«
    Je länger er sprach, desto mehr verzerrte sich sein Gesicht. Er suchte Ruhe zu bewahren, und doch traten an seinen bleichen Schläfen die Adern hervor, und seine roten Augen schienen größer und größer zu wachsen. Bathildis spürte seine Anspannung nicht nur – kurz wähnte sie jene auf sich überschwappen, sie mitzureißen, in jene verheißungsvolle Welt, da sie in den Saal zurücktreten könnte, um ihren Spötter zu befehlen und das Maul zu verbieten. Sie wusste von Königen aus dem Geschlecht der Merowinger, welche jede Form der Auflehnung mit Tod und Folter und Verstümmelung bestraft hatten – gleich, wer sie wagte, und sei es ein Geweihter.
    Dicht rückte Ebroins Gesicht an ihres heran; sie spürte seinen Atem, sie schmeckte seinen Hunger nach Anerkennung – und jenen Hass, den sie eben noch an sich selbst gewittert hatte.

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