Die Regentin (German Edition)
Dieser Hass grub sich nicht in die Tiefe ihres Gemüts, um es heimlich zu verpesten, sondern loderte in die Welt hinaus, getragen vom Willen, alles zu versengen, was sich ihm entgegenstellte.
Ruckartig trat sie zurück, ein kleines Fleckchen suchend, auf dem sie sicheren Stand hatte und er sie nicht mitreißen konnte. Einzig der lähmende Kummer um die verlorene Heimat und umAidan gehörte ihm nicht, und wiewohl beides sie zu glatt und rutschig deuchte, um sicher darauf zu stehen, war jener doch so altvertraut, dass er dem Hitzigen, Fließenden, Reißenden die zähen Brocken von Müdigkeit, Lustlosigkeit, Schwermut entgegenrollen konnte.
»Ich will die Macht nicht«, sagte sie schnell. »Nein, ich will die Macht nicht, und ich will auch nicht gegen die Bischöfe kämpfen. Ich will niemanden unterjochen und niemanden vernichten. Ich will nur Gutes tun, verstehst du? Ich will das Leid, das ich selbst erfuhr, bei anderen lindern... Und vor allem will ich mit dir nichts zu tun haben, Ebroin, mit dir und deinen schaurigen Machtgelüsten!«
Mit aller Kraft schlug sie seinen ausgestreckten Arm beiseite, kaum merklich schaudernd, als sie dabei seine weiße Haut berührte, und weil es für ihn überraschend kam, gelang es ihr, an ihm vorbeizutreten. Sie kam nicht weit. Sein hastiger Atem verriet ihr, dass er sie nicht einfach gehen ließ. Schon war er wieder an ihrer Seite, bekam sie zu packen, schmerzhaft und fest.
»Hast du vergessen, was du mir verdankst?«, knurrte er ungehalten. »Das Geringste, was du für mich tun könntest, wäre, dem König zuzuraunen, er möge mich zu Erchinoalds Nachfolger bestimmen! Gewiss gelingt es dir... in vertraulicher, hitziger Stunde. Solche haben sich gemehrt in den letzten Wochen, nicht wahr? Der König scheint mir glücklich zu sein... und entspannt.«
Mit jedem Wort schienen sich seine Finger fester um sie zu spannen. Sie zog und zerrte – es nützte nichts.
»Fass mich nicht an!«, rief sie.
Endlich ließ er sie los – und schien sie dennoch nicht freizugeben. Sein roter Blick grub sich in ihren, suchte sich mit ihr zu messen, suchte zu ergründen, wie echt ihr Widerstand war und was er dagegen tun könnte.
Das spitze Lächeln glättete sich, wurde kalt – und ein wenigverloren. Beinahe glich es Chlodwigs Ausdruck, wenn er sich vor den Stimmen ängstigte. Bathildis erschauderte, denn noch nie hatte sie eine Ähnlichkeit an den beiden Männern erspäht.
»Wage es nie wieder, mir zu nahe zu kommen!«, rief sie.
Er trat zurück und vollzog eine knappe Verbeugung. Die Geste verhieß Respekt – die Worte, die ihr folgten, nicht.
»Überleg’s dir gut, meine Königin«, murmelte Ebroin, ehe er sich abwandte und sie stehen ließ. »Überleg’s dir gut, ob du mich zum Freund haben willst... oder zum Feind.«
Bathildis hatte schnellen Schrittes zurückgehen wollen, doch kaum war Ebroin entschwunden, so fühlten sich ihre Beine schwer an, als zöge sie jene Steine mit sich, in die sie eben noch sämtliche Wut getreten hatte. In ihrem Kopf verstummte alles Rauschen.
»Rigunth?«, rief sie vorsichtig. »Rigunth?«
Sie wollte sich vom Anblick des Mädchens ablenken lassen, auf dass sie weder Ebroins Worte überdenken müsste noch das, was ihnen vorangegangen war, doch als sie das Mädchen am Ende des Gangs erblickte, so war sie nicht allein, sondern befand sich in Gesellschaft eines der Bischöfe, wie es dessen Alba verriet. Bathildis erstarrte, rüstete sich gegen neuerliche Demütigung, doch musste schließlich erkennen, dass der Kirchenmann nicht spottend auf sie zukam, sondern mit einem ehrlich freundlichen Lächeln.
»Meine Königin«, sagte er mit jenem profunden Klang, den nur Menschen mit runder Leibesmitte verbreiten. Feist waren auch seine Finger, die den Ring zu sprengen schienen, den er trug.
Trotz seiner sichtlichen Gutmütigkeit straffte Bathildis ihre Schultern. »Ich sehe, Ihr habt Euch nicht von mir vertreiben lassen...«
»Ach wo!«, winkte er ab. »Um die Wahrheit zu sagen – selten hat mich etwas derart amüsiert wie die Erregung meiner Brüderüber dich. Wie langweilig es ansonsten ist, in ihrem Kreis zu hocken! Und wie amüsant es heute...«
Sie hob abwehrend die Hand.
»Es ist gut«, unterbrach sie ihn.
Er ließ sich davon nicht entmutigen, wechselte zwar das Thema, aber sprach selbstbewusst fort. Audoin von Rouen war er, einer Sippe von Jouarre entstammend, fränkische Grundherren allesamt, die schon unter dem ersten Merowingerkönig Chlodwig I.
Weitere Kostenlose Bücher