Die Regentin (German Edition)
herrschte Bathildis das Mädchen an und hob abwehrend die Hand, bekräftigend, dass sie ihr fernbleiben solle. Mit schnellen Schritten ging sie davon, die Fersen dabei so schmerzhaft in den Boden stampfend, als wollte sie Sprünge in den Stein hauen.
Sie hätte fluchen wollen, nicht über die Bischöfe und derenWorte, sondern über sich selbst – weil sie nicht stark genug war, um sich zu beherrschen, weil sie die Macht der leisen Stimme zugunsten nutzloser Erregung aufgegeben hatte, weil jene Kraft, die sie nach Dämmerschlaf und Schwermut zurückerrungen hatte, indem sie Rigunth und später Moschia und Taurin erlöste, von etwas Grässlichem zersetzt war – ähnlich Brot von Schimmel und eingelegtes Obst von Fäulnis. O, wenn es nur Ohnmacht wäre, die selbst einer Königin, die fordernd die Hand heben und leise Befehle murmeln konnte, Grenzen auferlegte – dann hätte sie es ertragen! Doch mit jedem Schritt, mit dem sie von ihrer Schmach weghastete, mit jedem Sprung, den sie da am liebsten in die Erde gehauen hätte, entblößte sich jener Schlund an Regungen, mit denen sie auf diese Ohnmacht antwortete. Es gehörten nicht nur Wut und Scham dazu, sondern Hass.
Bathildis blieb stehen. Ich darf nicht vor ihnen fliehen, ging ihr durch den Kopf, so weit darf ich mich nicht entblößen.
So weit durfte sie ihm auch nicht folgen – diesem Dunklen, Kalten, Feindseligen, Einsamen, Rachsüchtigen, das sich in ihr ausbreitete.
Sie atmete mehrmals tief ein, wartete darauf, dass frische Luft den Morast austrocknen würde, der rund um ihre Seele schwappte. Doch just als sie stehen blieb, so spürte sie einen Schatten auf sich fallen. Sie fuhr herum, hoffte, dass trotz ihres Befehls Rigunth ihr nachgefolgt war, lautlos wie stets, mit ihrem abgründigen Blick, in dem sich eigene Verzagtheit und Verzweiflung und Gebrochenheit spiegelte – was hieß, dass sie nicht länger allein war mit ihren Gefühlen.
Ja, Rigunth konnte Frieden schenken.
Doch nicht die Stimme des Mädchens sprach zu ihr, sondern eine andere – wiewohl eine gleichfalls altvertraute:
»Ich habe gehört, meine Königin, dass du wieder unter den Lebenden weilst...«
XXI. Kapitel
Bathildis blickte in rote Augen, nicht in dunkle. Es stand nicht Rigunth vor ihr, sondern Ebroin.
Er war hagerer geworden in den letzten Jahren, das Haar noch dünner und so weiß, dass es sie fast durchsichtig deuchte. Sein Lachen klang maßvoller, nur sein Adamsapfel sprang beim Reden immer noch unruhig auf und ab.
»Wusst’ ich’s doch, dass du nicht eine bist, die sich ewig in den Gemächern versteckt!«, setzte er kichernd an und umwanderte sie mit den üblichen fahrigen, tänzelnden Schritten.
Wortlos suchte sie sich an ihm vorbeizudrängen, doch er verstellte ihr den Fluchtweg.
»Lass mich vorbei!«, zischte sie erbost. »Ich muss zurück!«
Wiewohl sie keinesfalls die Bischöfe hatte Wiedersehen wollen, trat sie nun unruhig von einem Fuß auf den anderen, als hätte sie noch etwas zu erledigen und wäre darum in Eile.
Ebroin hingegen blieb gelassen.
»Was hast du bei den Bischöfen verloren, meine Königin?«, fragte er gedehnt. »Glaubst du, sie hören auf eine wie dich? Sie dulden den König – dank seiner Vorfahren, nicht dank eigener Taten, und weil er sich stets den Anschein gegeben hat, sich gerne ihrem Rat zu fügen. Doch schon durch einen wie mich sehen sie hindurch. Keiner steht dem König so nah wie ich, und keiner ist zugleich so machtlos. Mein Rat wird nicht gesucht; meine Wünsche werden nicht erfüllt. Ich bin zur Untätigkeit verdammt.«
Dass seinen wissenden Augen nicht verborgen geblieben war, was sie geplant hatte und worin sie gescheitert war, ließ Bathildis unwillkürlich frösteln; gerade noch war ihr heiß gewesen.
»Lass mich vorbei!«, wiederholte sie barsch.
Ebroin dachte nicht daran, zur Seite zu treten.
»Die Bischöfe also – pah!«, fuhr er verächtlich fort. »Denkst du, du könntest ihnen befehlen wie einem gewöhnlichen Aufseher, der sich daran erfreut, seine Sklaven zu quälen? Warum eigentlich hast du dich mit deinem frommen Ansinnen nicht an mich gewendet, werte Königin?«
Sie wusste nicht, was er hinter seinem Spott verbarg – ob er ihr ernsthaft seine Hilfe anbieten wollte oder sich insgeheim an ihrer Demütigung weidete, sie wusste auch nicht, was er den ganzen Tag lang trieb: Ränke schmieden, den König ernsthaft beraten, gar irgendeines der Ämter im Hofstaat ausfüllen? Letzteres glaubte sie kaum. Im Grunde
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