Die Regentin (German Edition)
Straße zugelaufen war. Wieder rumpelte es, dann stand das Gefährt still.
»Umdrehen!«, schrie Bathildis erneut. »Ich habe gesagt, Ihr sollt umdrehen!«
Sie sank auf jene Liege nieder, die – mit Fell und Leder bedeckt – das Reisen bequemer machen sollte.
Rigunth kniete sich neben sie.
»Meine Königin, wie ist dir?«
Beinahe konnte Bathildis fühlen, wie sie blass wurde. Die Haut ihres Gesichts, eben noch von der beschwerlichen Fahrt erhitzt, begann merkwürdig zu prickeln, als würden kleine Stiche sie treffen und ihr Fleisch ertauben lassen.
Ratlos blickte Rigunth sie an, stand schließlich auf, um selbstden Ledervorhang zur Seite zu schieben und sich ein Bild zu machen.
»Nicht! Nicht!«, rief Bathildis, nicht mehr kreischend, sondern mit einem waidwunden Röhren. »Schau nicht hinaus, ich kann mir nicht vorstellen, dass du es besser erträgst als ich. Es ist ein Markt... wo Menschen verkauft werden... Kriegsgefangene ... Unfreie... Gott weiß, von welchen Orten...«
»Gewiss«, sprach Rigunth.
Nichts von dem, was Bathildis sagte, war überraschend – dieser Ort war mit Absicht als Ziel ihrer Reise gewählt.
»Wenn Ihr Bischof Eligius kennen lernen wollt«, so hatte Audoin von Rouen zu ihr gesagt, »dann tut es dort, wo er am liebsten und häufigsten seine Zeit verbringt... und das ist nicht sein Bischofssitz.«
Ausführlich hatte ihr Audoin von Eligius erzählt, und manches davon war Bathildis höchst absonderlich vorgekommen.
»Wusstest du«, fragte sie Chlodwig später, »wusstest du, was er tut?«
Bei der Erwähnung des Namens lächelte der König flüchtig.
»Eligius ist ein guter Mann«, hatte er schließlich versonnen gemurmelt, »seit fünfzehn Jahren nun schon Bischof. Als ich noch ein Kind war, da hat er mich beschützt...«
»Beschützt vor wem?«, fragte Bathildis.
»Vor einem grauenhaften Anblick. ... Ich bin ihm nicht entgangen. Aber er hat es zumindest versucht.«
Bathildis verstand nicht sogleich. Erst nach und nach erfuhr sie, dass er von jenem Kampfe um das Amt des Major Domus sprach, von dem er ihr schon einst erzählt hatte: Zwischen Flachoad und Willebad ward er ausgefochten, und er selbst hatte ihm als Knabe beiwohnen müssen. Alle anderen fanden dies selbstverständlich, nur Eligius von Noyon bekundete seinen Einwand.
»Ist es denn notwendig«, hatte er damals gefragt, wiewohl er das Ereignis nicht verhindern hatte können, »dass eine blutigeAuseinandersetzung wie diese vor den Augen eines noch unschuldigen Königskindes stattfindet?«
Nicht nur Chlodwig und Audoin berichteten Bathildis von Eligius – auch Gertrude, die Geschwätzige, wusste manches von dem Gottesmann zu erzählen.
»Seine Statur ist ganz anders als jene von Bischof Audoin«, umschrieb sie mit höflichen Worten den Umstand, dass der eine fett und gefräßig, der andere dünn und asketisch wäre. »Er fastet fortüber. An den Werktagen isst er nur Fische und Eier, Äpfel und Birnensaft.«
Entgegen ihrer sonstigen Gewohnheit hatte sie auf diese Worte Schweigen folgen lassen, vielleicht, weil es ihr mit den Jahren als unverheiratete Frau immer schwerer vorstellbar wurde, sich derart zu bescheiden. Der Lust am Essen frönte sie mittlerweile ebenso wie der Lust am Plappern.
Nun, Bathildis zeigte kein sonderliches Interesse daran, wie der Bischof lebte. Seine Taten wollte sie ergründen – zumindest bis zu jenem Augenblick, da sie den Ledervorhang zurückgeschlagen hatte.
Nun lugte Rigunth durch dessen Schlitz, wohingegen Bathildis sich dem Blick nach draußen verweigerte. Wohler fühlte sie sich trotzdem nicht, denn wenn sie schon nicht sehen wollte, so musste sie ihn doch riechen – den salzigen Geruch und zugleich klebrig süßen, verdorbenen und schweren, der mit jedem Atemzug beißender und dichter zu werden schien. Je länger das Gefährt Stillstand, desto bedrohlicher schien sich auch sein Dach über sie zu senken, wuchtig und schwer wie der Deckel eines Sarkophags. Sie setzte sich wieder auf, als wollte sie sich vergewissern, dass dafür noch genügend Platz war, dass sie nicht eingeschlossen war in einem hölzernen Verschlag. Noch mehr Blut sackte aus ihrem Gesicht; sie konnte ihre Lippen kaum fühlen.
»Nun, macht schon, fahrt los! Es ist kein Aushalten hier!«
»Meine Königin...«
»Ach, lass mich los!«
Sie wehrte sich gegen Rigunths Griff, kaum dass deren Hände sie packten, festhielten, weich und warm, nicht roh und gewaltsam. »Meine Königin, ruhig...«
Die Berührung von
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