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Die Regentin (German Edition)

Die Regentin (German Edition)

Titel: Die Regentin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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leergefegt war, sondern zur Regung eines ganz eigentümlichen Stolzes fähig war, der freilich nicht seiner Herkunft galt, sondern seiner neuen Heimat.
    Nun, Bathildis wollte diesen nicht ergründen und wandte sich von dem Manne ab, und doch war’s just in diesen Tagen, dass sie zu schwächein begann, dass sie gereizt war wie eben noch – nur diesmal nicht ob stetiger Spannung, sondern vor Erschöpfung, die sie langsam, aber stetig verzehrte und aushöhlte, die ihre schnellen Schritte bremste und ihren eben noch brennend-wachen Blick vernebelte.
    »Es wundert mich«, sagte sie einmal seufzend zu Rigunth, »wie ich einst meine Tage als Sklavin überstehen konnte. Viel schwerer noch wogen die Lasten der vielen Arbeit damals auf mir, und doch rauben diese Reisen mehr von meinen Kräften...«
    Rigunth zeigte, wie früher schon, als sie noch Wasser geschleppthatte, keinerlei Ermüdung. Ihr Körper hatte zwar nicht an Gewicht zugenommen, seitdem Bathildis für sie sorgte wie für eine Tochter; durch ihre Haut schimmerten immer noch bläulich die Adern – und doch schien das Mädchen die Natur eines Ackergauls zu haben.
    »Vielleicht kommt deine Erschöpfung daher«, sagte sie einmal wie nebenbei, »dass du alle Macht hast, aber nicht sämtliche Mittel.«
    Bathildis verstand nicht gleich, was das Mädchen damit meinte. Erst nach und nach begriff sie diese Worte. Das Elend, das Bathildis am einen Tag zu lindern vermochte, trat ihr am nächsten nicht minder bitter entgegen – als wäre die Welt ein einziger Höllenschlund und der Weg, auf dem sie schritt, ein so schmaler Pfad, dass sie nicht mehr Menschen mitnehmen durfte, als sie an zwei Händen zählen konnte.
    Längst schon schien ihr die Welt nur mehr von geschundenen Sklaven bevölkert zu sein, von stöhnenden Kriegsgefangenen, unterdrückten Unfreien. Manch einen konnte sie aus der Masse herausziehen wie aus einem braunen, stinkenden Tümpel, doch die Masse selbst, sie schien stetig zu wachsen, über sämtliche Ufer zu treten. Anfangs versuchte sie in jedem Gesicht das von Aidan zu erkennen, um das Gefühl zu haben, sie könnte ihm selbst verspätete Fürsorge angedeihen lassen, doch irgendwann verschwammen die Gesichter zu einer Unmenge dunkler Schatten, die sie selbst in der tiefen Nacht umstellten. Ständig beklagten sie ihr Los – als wäre nichtig, was sie für sie tat. Ob es Chlodwig ähnlich erging, wenn er von den Stimmen erzählte, die in seinem Kopf wüteten?
    Als ihre Beschwingtheit unter gleißend-schneidender Sonnenhitze vertrocknete, begann sie Eligius’ Wesen besser zu begreifen und auch, warum er den heroischen Kampf nicht mit aufgeregter Stimme und glänzenden Augen focht, sondern mit erstarrten Zügen, als wären jene hinter einer Totenmaske gefangen.
    Anders als der einstige Goldschmied, der sich die Schönheit verbat, konnte sie ihre Sehnsucht nicht abtöten. Einer Stätte ohne Leid, ohne Kampf, ohne Qualen galt sie. Einem kleinen Stück Himmel, das nicht davon kündete, wie elend es hier auf Erden war. Einem Land, in dem ihr Schicksal undenkbar gewesen wäre... und das von Aidan.
    Sie dachte oft an ihn, beschwor seinen Namen, betrauerte ihre Trennung – doch anstatt daraus Ermutigung zu ziehen wie anfangs, schürte die Erinnerung an ihn den Verdacht, dass, was sie tat, nicht genug war, nie genug sein konnte.
    Es reichte nicht... es reichte nicht... weil es zwar viele Menschen, niemals aber ihn zu retten vermochte.
    Nie hätte sie sich zugestanden aufzugeben. Dennoch erklärte sie Rigunth nach einigen Wochen, die sie durchs Land gereist waren, dass sie zurückkehren würden nach Paris, wo sich eben der Hof aufhielt. Den König schob sie hierbei vor, jedoch nicht, dass er sie brauchte, sondern dass sie mit ihm ein Vorhaben besprechen müsste.
    »Was ist es, Königin, das du planst?«, fragte Rigunth.
    Bathildis ließ eine der Münzen auf der Handfläche kreisen, mit der sie für gewöhnlich Gefangene freikaufte. Sie saßen eben im Gefährt, das schmerzhaft rumpelte wie stets.
    »Wie dankbar bin ich dem Herrn, dass er meine Wege mit denen von Eligius gekreuzt hat. Doch nicht genug ist’s, was ich an seiner Seite schaffen kann. Ich brauche Verbündete... Helfer... Und wer sonst würde sich in den Dienst solcher Wohltätigkeit stellen, wenn nicht die Männer Gottes?«
    Rigunth runzelte ihre Stirne. »Du weißt, dass die meisten Bischöfe dir und deinem Anliegen gewiss nicht freundlicher gesonnen sind als damals.«
    Bathildis lachte bitter auf.

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