Die Regentin (German Edition)
»Nein, wahrscheinlich spotten sie sogar über mich! Wie dem auch sei. Wenn nicht sie, dann eben andere. Mir ist da ein Gedanke gekommen...«
Was für eine Wohltat war es, sich sorgfältig zu waschen und frisch zu kleiden! Welche Wohltat auch, auf Gertrudes Geplapper zu lauschen, nicht auf Ächzen und Stöhnen! Jene fragte nicht, wie es ihr ergangen war, sondern berichtete nur gleichmütig von ihrem Vater, Erchinoald, dem die Hitze so sehr zusetzte, seit er ein alter Mann geworden war, und dem die Macht, die er stets so gerne in seinen Händen gewusst hatte, Unbehagen zu bereiten schien. »Ich glaube nicht, dass er noch lange lebt«, schloss Gertrude, ohne zu verraten, ob dies ihr Kummer bereitete oder nicht.
Ja, es tat gut, einfach zu lauschen – desgleichen, wie es eine schlichte, unaufgeregte und doch so wärmende Freude war, Chlodwig wiederzusehen. Er gab ihr das Gefühl, in ein friedliches Zuhause zurückzukehren. Sie umarmte ihn, das überreizte Gemüt wohlig beschwichtigt, und verharrte lange Zeit schweigend in seinen Armen, anstatt sogleich auf ihn einzureden. Sein weicher Leib stieß sie nicht ab wie einst, sondern versprach Ruhe und Geborgenheit.
Er selbst war’s schließlich, der sie losließ, um ihr Gesicht zu betrachten.
»Man sagt dir nach, meine gute Gattin, dass du für uns beide den Lohn mehrst, den wir im Himmel empfangen werden.«
Sie lächelte zaghaft. An himmlischen Lohn hatte sie in den letzten Wochen nicht gedacht.
Dennoch nutzte sie seine Worte, um ihr Anliegen zu benennen.
»Wenn du es so betrachtest, mein Gemahl, so ehrt mich das«, sprach sie. »Doch mir selbst scheint, dass alles, was ich tue, noch zu wenig ist... Es wäre mir wohler, wüsste ich andere an meiner Seite stehen.«
»Ich tu’s gewiss, ich lass dir freie Hand.«
In seinem Gesicht blühte ungetrübter Stolz, und kurz fragte sie sich, wie er vermocht hatte, die bitteren Jahre zwischen ihnen so gänzlich zu vergessen – da waren keine Spuren altenArgwohns verblieben. So sehr es sie freute, ging ihr zugleich durch den Kopf, dass es einem König besser anstünde, er wäre weniger leicht zu begeistern. Ob sie an seiner Stelle sich selbst ebenso schnell verziehen hätte? Ob sie das eigene Benehmen vergessen hätte können, die Verbitterung darüber abstreifen?
Fast war sie neidisch auf sein kindliches Gemüt – und zugleich davon gestärkt.
»Ich danke dir, Chlodwig, ich danke dir«, murmelte sie, um hinzuzufügen, was sie schon Rigunth gesagt hatte. Dass zwar Eligius an ihrer Seite stünde, ja, viel größer sei als sie, seinen Amtsbrüdern freilich nicht zum Vorbild gereiche. Gewiss, Audoin von Rouen schätzte ihn. Doch alle anderen Bischöfe auch?
»Für jene ist er ein Narr«, beantwortete sie die Frage selbst, »und ich bin nichts weiter...«
»Keiner wagt, dich geringzuschätzen!«, warf er gutgläubig ein.
Sie hob abwehrend die Hand. »Es ist nicht ratsam, Zwist zu säen, das weiß ich wohl, desgleichen, dass die Bischöfe Stütze deiner Macht sind. Und doch: Wenn ich auf sie nicht Einfluss nehmen kann... so dann vielleicht auf die Klöster in unserem Land, welche von Anbeginn Zuflucht für die Mühseligen und Beladenen waren, oder nicht?«
Jene Überlegung war schon seit langem in ihr gereift, umso dringlicher, als augenscheinlich wurde, dass es nicht reichte, Sklaven zu befreien. Gut traf es jener, dem heimzukehren gestattet war – die anderen blieben von Armut und Hunger bedroht.
»Was meinst du damit?«
»Ich meine«, fuhr Bathildis fort, »dass es unsere Aufgabe ist, neue Klöster zu gründen und jenen, die bereits bestehen, noch mehr Land zu schenken. Als Äbte setzen wir sodann jene Männer ein, die am Pariser Hof erzogen wurden, die folglich treu zu dir stehen und Freunde von Audoin oder Eligius sind! Viele der Bischöfe entstammen adeligen Familien, die häufig ihren eigenenZielen folgen. Mit Hilfe neuer Klöster freilich können wir uns Verbündete schaffen, die uns zu Dank verpflichtet sind... die sich bereit erklären, mehr Almosen zu spenden, als es üblich ist, mehr Bedürftigen die Tür zu öffnen, als es bisher geschieht, vor allem aber: die auch armen Menschen den Eintritt in ihre Gemeinschaft erlauben. Du weißt, dass für gewöhnlich eine Schenkung nötig ist, weil schließlich das Kloster den neuen Bruder, die neue Schwester ein Leben lang beherbergen und ernähren muss. Dank unserer Großzügigkeit aber könnte auf diese Schenkung verzichtet werden. Und das ist nicht alles:
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