Die Regentin (German Edition)
Nie hatte Bathildis einen der Älteren im Arm gehalten, selten nur über ihr Köpflein gestreichelt. Nun wollte sie das festgeschnürte Bündel, das in eine weiche Lammdecke gehüllt war, nicht hergeben.
»Lass ihn mir noch«, bat Bathildis und hob den kleinen, warmen Leib höher, sodass er auf ihren Brüsten zu ruhen kam.
Das Kleine gluckste dabei auf die Weise, wie es Neugeborenen eigentümlich ist; ein hoher, feiner Ton, der Bathildis erneut zum Lachen brachte. Sie konnte es sich nicht erklären – es war, als würde ein tiefes, warmes Wohlgefühl sie zwar nicht gänzlich überkommen, jedoch kitzeln, so wie die Frühlingssonne es nach dem Winter tut, wenn man noch misstrauisch ist und jede Wohltat trügerisch beäugt.
Eine Weile genoss sie die Wärme, starrte das Bündel unverwandt an.
Erst nach einer Weile gab sie Fara das Kind, und als sie sich aufrichtete, da genügte ihre gute Laune, um den anderen Söhnen gleichfalls übers Gesicht zu streifen. Chlothar blieb steif stehen, Childerich zuckte verwirrt zurück.
Bathildis gluckste wieder, nicht gekränkt, dass die Söhne sich schließlich erleichtert abwandten und Fara nach draußen folgten.
»Ruht Euch aus, meine Königin!«, forderte jene, bevor sie sich abwandte.
Nur wenige Augenblicke später freilich erschlaffte Bathildis’ Lächeln. Kaum hatten Fara und die Söhne den Raum verlassen, so erschien ein neuer Gast auf der Schwelle, und seine Gestalt verdunkelte das Frühlingslicht, das freundlich den Raum erhellt hatte.
Vom Gang her hörte Bathildis noch einen der raunenden Laute des Neugeborenen; dann verebbte er samt Faras Schritten – und zurück blieb Schweigen, das sich unangenehm über Bathildis und den eben Eingetretenen senkte.
Betreten blickte sie an ihm vorbei, als könnte sie solcherart seinem Anblick entkommen. Gottlob hatte er ihr in den letzten Monaten seine Gegenwart erspart – doch umso unerträglicher war’s, ihm jetzo ausgeliefert zu sein, da sie im Wochenbett lag und ihre Scham noch nässte und schmerzte von der Geburt. Um sich zumindest gegen den ersten Umstand zu wehren, schlug sie die Decke zurück und stellte die Beine auf den Boden.
»Bleib doch liegen, meine Königin«, sagte Ebroin mit kaltem Spott in seiner Stimme und trat näher.
Wohl oder übel musste sie ihn nun ansehen. Kränklich wirkte er, bleicher noch als sonst, selbst seine Augen deuchten sie nicht länger rot, sondern verwaschen.
»Was willst du, Ebroin?«, fragte sie und erschauderte, weil ihre Stimme so schneidend klang und nichts mehr von dem lachenden, warmen Ton herauszuhören war, mit dem sie eben noch gesprochen hatte. Jäh fühlte sie sich klamm und kalt, weil sie den weichen Leib des kleinen Theuderich nicht mehr an sich gepresst hielt und weil sie plötzlich ahnte, dass Ebroin nicht gekommen war, um ihr seine Glückwünsche zu überbringen.
Tatsächlich versuchte er gar nicht erst vorzutäuschen, er hielte sich an die Gebote der Höflichkeit, sondern kam sogleich auf das zu sprechen, was ihn hierher trieb.
»Was tust du mit dem König, dass er sich mir verschließt?«, fragte er bitter. »Welche lästerlichen Worte sprichst du über mich, dass er nicht länger auf mich hört?«
Mit jeder Frage kam er ihr näher, drang tiefer ein in diesen so persönlichen, intimen Ort, wo sie einen wie ihn nicht haben wollte.
»Ich wüsste nicht...«
»Ich habe es hingenommen, ohne Dank zu bleiben... dafür, dass der König dich zum Weibe nahm, weil ich ihm dazu riet.«
»Worum ich nie gebeten habe!«, warf sie trotzig ein.
»Ich habe auch hingenommen«, fuhr er böse fort, »dass du meinen Rat und meine Hilfe abgewiesen hast, als du der ganzen Welt verkünden musstest, welch herzensgute Frau du bist, aufopferungsvoll und gnädig!«
Sie versuchte aufzustehen, wiewohl ihre Beine noch bebten. Sie hatte Angst, dass sie ihr den Dienst versagen würden und sie vor Ebroin zusammenbrechen müsste, und stützte sich darum mit aller Macht auf den Bettpfosten.
»Was immer du mir vorwerfen willst«, sprach sie mit vor Anstrengung gepresster Stimme, »tu’s rasch – und dann geh!«
»Du bist zu weit gegangen!«, zischte er. »Der König hört nicht mehr auf meinen Rat. Ganz gleich, worum es geht. Obendrein gibt er nach und nach königliches Fiskalland an jene Klöster ab, die du zu unterstützen wünschst. Weißt du nicht, dass du seine Macht schwächst, indem du seinen Besitz verschenkst? Scherst du dich überhaupt um seine Interessen, oder bist du dafür blind
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