Die Regentin (German Edition)
Krieg dadurch ausgelöst wird. Wie viele Merowinger gab’s, die ihren Brüdern das Erbe nicht gönnten! Wie viele, die eigenhändig Verwandtschaft erschlugen!
Was weiß ich von meinen beiden ersten Söhnen? Nicht mehr, als dass der eine ruhig und verstockt zu sein scheint und der andere... bösartig.. .
Und was weiß ich von meinem dritten? Dass er nichts weiter als ein Säugling ist, jedoch, dass ich ihn liebe .
Täglich besuchte Bathildis nun den Unterricht der beiden Ältesten, überprüfte hernach persönlich, wie viel davon sie behalten hatten, und ließ sie darüber hinaus jeden Nachmittag zu sich kommen, um mit ihnen Zeit zu verbringen. Chlothar ertrug es wie alles, was ihm widerfuhr, mit dem schlichten Blick, den Bathildis von seinem Vater kannte. Die Gegenwart der Mutter machte ihn etwas scheu, doch er war kein ängstliches, nur ein gleichgültiges Kind, das es bevorzugte, wenn an Gewohnheiten festgehalten wurde und der Rhythmus des Lebens nicht durcheinandergeriet. Anfangs brachte Bathildis Unruhe in seinen Alltag – doch nachdem er sich daran gewöhnt hatte, dass sie nun öfter in seiner Nähe hockte, fügte er sich mit jenem stoischen Ernst, mit dem er alle Pflichten in Angriff nahm.
Childerich war viel misstrauischer – und unberechenbarer. Zwar wagte er es nach deren harter Bestrafung nicht, der Mutter offen ins Gesicht zu sehen, sie gar zu verhöhnen, doch manchmal hatte sie den Eindruck, er schnitte hinter ihrem Rücken Grimassen. Stets war sie auf der Hut vor ihm, stets darauf bedacht, rechtzeitig abzuwürgen und niederzutrampeln, was ihr da an möglicher Auflehnung und Niedertracht entgegenschlug. Angespannt wartete sie darauf, dass erneut die Grausamkeit seiner Vorfahren in seinem Handeln sichtbar werde, und fühlte sich nicht wie seine Mutter, sondern wie eine Wärterin – dazu da, den Gefangenen zu beäugen, um ihn bei einem falschen Schritt sogleich zu fesseln und zu knebeln. Erst mit der Zeit – es war vor allem Fredegar, der ihr’s vor Augen hielt – begann sie zu begreifen, dass in dem Knaben nicht nur Grausamkeit steckte, sondern vor allem ein Übermaß an Kraft und Energie. Wurde es nicht in die richtigen Bahnen gelenkt, so mochte es sich an verkehrter Stelle entladen. Doch ließ man ihn genug kämpfen, reiten, jagen – so vergaß er, Dienstboten zu bestrafen. Wiewohl sich Bathildis in seiner Gegenwart nie gänzlich wohlfühlte, begriff sie, dass es ein schlichtes Mittel gab, ihn und seinen vermeintlich rohen Geist zu zähmen: Man musste ihn nur ausreichend ermüden.
Während es leicht war, im Alltag der Kinder einen festen Platz einzunehmen, schien das Unterfangen, in Ruhe mit Chlodwig zu reden, hingegen plötzlich unmöglich.
Bei jenem ersten Abendessen, das sie zur Aussprache nutzen wollte, geschah’s, dass Ebroin erschien – mit einem Lächeln, so glatt und freundlich, als hätte es nie die unschöne Begegnung zwischen ihnen gegeben, und mit dem festen Willen, dem König bei dessen Mahl Gesellschaft zu leisten.
So lag er neben ihnen, ließ sich von Bathildis’ zornigem Blick nicht zähmen und schob Chlodwig Schüssel um Schüssel zu, so wie einst bei jenem Festmahl, da sie dem König begegnet war.
»Nun«, fragte Chlodwig, »was wolltest du mir sagen, Königin?«
Bathildis hatte schon zu reden begonnen, ehe Ebroin erschienen war, und wusste nicht, ob sie es wagen sollte fortzufahren.
»Es scheint mir ratsam«, begann sie vorsichtig, »es scheint mir ratsam – nun, da unser dritter Sohn das Licht der Welt erblickt hat –, die Zukunft zu bedenken, die vor ihm liegt... und vor den ersten beiden...«
Sie sprach in langen Pausen, Chlodwigs Gesicht betrachtend, in dem sich freilich kein Verständnis ausbreitete. Stattdessen fühlte sie, wie Ebroin grinste.
»Planst du deines Gatten Tod, weil du so sprichst?«, erklang, kaum dass sie geendigt hatte, seine Stimme, nur flüsternd, damit der König sie nicht verstehen konnte, jedoch laut genug für sie.
Bathildis zuckte zusammen. Kaum konnte sie sich beherrschen, sich ihm zuzuwenden und ihm eine wütende Entgegnung ins bleiche Gesicht zu schleudern, doch rechtzeitig gewahrte sie, dass seine Worte den gleichen Sinn hatten wie sein plötzliches Erscheinen beim abendlichen Mahl: Ganz offenbar hatte er sich zum Ziel gesetzt, ihr seine enge Bindung zu dem König vorzuführen. Mit jedem lauten Wort würde sie nur Schwäche offenbaren – Stärke hingegen, wenn sie ihn missachtete.
»Ich weiß, dass es Gesetz in diesem Lande
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