Die Regentin (German Edition)
ist, dass jeder Sohn in gleichen Teilen erbt«, erklärte sie. »Und doch denke ich mir, dass es eben diese Sitte ist, die so häufig Unfrieden über das Frankenreich gebracht hat, nicht zuletzt, als...«
Erneut konnte sie nicht weitersprechen. Indessen Chlodwig nun endlich zu begreifen schien, was sie ihm sagen wollte, tönte wieder Ebroins Stimme dazwischen, diesmal nicht flüsternd, sondern laut und deutlich.
»Ich verstehe, worauf du-hinauswillst, Königin«, spottete er, »du möchtest einem Sohn alles geben und den anderen nichts. Kann es sein... kann es sein, dass du deinen Zweitgeborenen fürchtest?«
Diesmal konnte sie nicht umhin, hochzublicken und Ebroin wütend zu mustern. »Ich halte Unterredung mit dem König, nicht mit dir!«
»Nun, ich bin sein bester Freund – nicht wahr, mein König? Alles, was dieses Land betrifft, betrifft auch mich. Und da du von deinem Childerich sprichst, so möchte ich gerne etwas dazu sagen: Welche Pläne du auch immer ausheckst, meine Königin, welche Zukunft du für ihn im Auge hast – du solltest wohl bedenken, dass du allen Grund hast, stolz auf ihn zu sein, sehr stolz sogar... so wie ich ihn kenne.«
Bathildis’ Augen wurden schmal, indessen seine glühten.
»Was willst du damit sagen, Ebroin?«, entfuhr es ihr.
Wieder grinste er. Die Haut seiner Lippen war rissig.
»Ich dachte...«, setzte er gedehnt an. »Ich dachte, ich würde dein Wohlgefallen erlangen – zumindest ein wenig von diesem, du verschenkst es schließlich sehr sparsam... – und natürlich das deine, mein König, wenn ich mich seiner ein wenig annehme.«
Jetzt streifte Bathildis der kalte Hauch einer Ahnung.
»Was willst du damit sagen?«, wiederholte sie mit brüchiger Stimme.
Ebroin ließ sich mit seiner Antwort Zeit.
»Ich will damit sagen«, fuhr er zögernd fort, »dass dein kleiner Childerich einen starken Willen hat... und dass er überaus rasch lernt. Ich habe manche Stunde in seiner Gegenwart verbracht, denn die Wahrheit ist: Ich habe ansonsten nicht viel zu tun, kein Amt, das mich ablenkt, keine Macht, die auszuleben wäre. So dachte ich, ich könnte dich und den König in euren Eltempflichten unterstützen. Und nicht lange ist’s her, da ließ sich Childerich von mir zeigen, wie man mit ungehorsamen Dienstboten umzugehen hat, denn du magst zwar jene aus der Sklaverei befreit und ihnen den Freibrief verliehen haben, aber zu Gehorsam sind sie uns doch immer noch verpflichtet, nicht wahr? Fürwahr! Diese Lektion hat dein kleiner Childerich sogleich begriffen! Als hart und unbarmherzig erwies er sich – und das sind doch die Eigenschaften, die du an ihm am liebsten siehst, oder? Ich glaube, ja, wie ich schon sagte, ich glaube, dass du wirklich auf ihn stolz sein kannst... denn nicht nur, dass er seine Pflicht erfüllte, und eine solche ist es schließlich, ungehorsames Gesinde zu züchtigen, nein, mir schien, als bereite es ihm obendrein auch tiefes Wohlgefallen.«
Er starrte sie nicht nur an; er schien ihr mit seinem Blick in die Augen zu kriechen, ihre Gedanken zu vergiften, mit Wut und Ohnmacht – und ein wenig auch mit dem Wunsch, ihn so zu prügeln wie den kleinen Childerich, nur noch viel länger, noch viel fester. Ebroin schien den Wunsch zu erahnen. Auf seiner blassen, durchsichtigen Haut erschienen rote Flecken.
Bathildis sprang auf. Der Geruch des Essens stieg ihr in die Nase, scharf und heiß, und unwillkürlich musste sie würgen. Es lenkte sie davon ab, mit beiden Fäusten auf Ebroin loszugehen, und als sie den bitteren Geschmack geschluckt hatte, wusste sie, dass solches Verhalten nicht nur wenig Sinn hatte, sondern dem Rotäugigen, Bleichen nur helfen würde.
Denn schon erntete sein Trachten Früchte. Schon blickte Chlodwig, der nichts von dem merkwürdigen Streit verstand, unruhig zwischen ihnen hin und her.
»Ist dir auch wohl, meine Königin?«, höhnte Ebroin.
Bathildis legte sich wieder auf die Bank.
»Es ist nichts«, murmelte sie. Sie mühte sich um ein Lächeln, auch wenn es ihr nur halbherzig gelang. »Wir wollen später ... weitersprechen, mein König.«
Wie eine Klette schien Ebroin fortan an sie geheftet, lautlos und erstickend. Des Nachts ließ er sie allein mit Chlodwig, wohl ahnend, dass jener in finsterer Geborgenheit lieber den Leib der Gattin liebkosen wollte, als von ihr eifrige Worte hören. In jeder anderen Stunde des Tages aber drängte er sich ihnen auf und zugleich zwischen sie – auf jenes Recht der Gewohnheit pochend, das ihm seit
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