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Die Regentin (German Edition)

Die Regentin (German Edition)

Titel: Die Regentin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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ein Haar zu krümmen. Ruft Gott seinen Sohn Chlodwig, so muss ich ihn gehen lassen – und du, du musst es auch, Ebroin!«
    Immer noch konnte sie ihm nicht in die Augen sehen, aber allein ihre Stimme schien ihn zu beschwichtigen. Er hielt inne, begann zu zittern und griff sich hastig ins Gesicht, um Tränen fortzuwischen, die ihm Zorn und Trauer in die Augen getrieben hatten.
    Bathildis blickte ihn befremdet an, verwundert, verstört. Dass jemand wie Ebroin weinte, schrie förmlich nach Spott – und zeugte stattdessen nur den Wunsch, die Hand nach ihm auszustrecken, nach dem Ausbruch von Gewalt nun auch sein Zittern zu mildern Und solcherart selbst Trost zu finden.
    Er liebt ihn, dachte sie. Der König ist tatsächlich sein engster und bester Freund, und er liebt ihn.
    Gleichwohl Rigunth ihr eben das gesagt hatte, hatte sie bis jetzt nicht daran geglaubt, dass Ebroin zur Treue taugte.
    »Ich ertrage das nicht!«, rief Ebroin. »Ich ertrage das nicht.«
    Sein Weh spiegelte das ihre und schien es zu vergrößern. Rasch wandte sie sich ab.
    »Wenn du nicht mehr Beherrschung zeigst, Ebroin«, sprach sie unwirsch über ihre eigentliche Regung hinfort, »dann lasse ich dich aus Chlodwigs Gemach werfen. Hast du mich verstanden?«
    Vielleicht waren seine Augen zu feucht, um den üblichen Hass auf sie aufglimmen zu lassen. Ausdruckslos traf sie sein Blick, als er nur nickte und fortan schwieg.
    In der nächsten Stunde brachte Fara die drei Söhne. Theuderich schlief auf ihrem Arm, friedlich und engelsgleich, und kurz neigte sich Bathildis über ihn, seine warme, süße Haut zu küssen und sich daran zu laben. Dann legte sie jeweils eine Hand auf die Schultern der beiden Ältesten und führte sie zum Bett des sterbenden Vaters.
    Chlothar war bleich, jedoch gefasst wie immer, der Mund zusammengepresst, seine Augen ausdruckslos. Was immer ihm der nahe Tod des Vaters bedeutete – er verriet es keinem Menschen; vielleicht wusste er es selbst nicht.
    Childerich war weniger gefasst. Seine Lippen bewegten sich, und hervor kamen grummelnde Geräusche. Zwar war nicht zu verstehen, was er sagte, doch Bathildis wähnte gleiches Hadern daraus abzulesen, wie Ebroin eben noch gezeigt hatte – ein wütendes Protestieren gegen das Unvermeidliche und schließlich auch den Willen, die Schuldigen zu bestrafen. Sein Blick glitt über die Ärzte, verächtlich und verbittert. Warum sie schonen?, schien er zu sagen. Ihr Stand war kaum höher als der der Sklaven – und manch einer von ihnen war wegen eines geringeren Anlasses gestorben!
    Bathildis verstärkte ihren Griff um seine Schulter, halb tröstend, halb mahnend. Er schüttelte ihn rüde ab und trat gemeinsam mit Chlothar näher an den König heran, auf dass jener sie segnen könnte.
    Chlodwig gebrauchte dafür Gesten, keine Worte. Erst als Fara mit den Söhnen das Gemach verlassen hatte, öffnete er den Mund und versuchte, etwas zu sagen.
    Fast gleichzeitig neigten sich Ebroin und Bathildis zu ihm nieder, doch es war nur sie, die er meinte.
    »Bathildis«, nannte er ihren Namen. Seine Stimme war unendlich sanft und schwach. »Bathildis! Ich will mit dir alleine sein. Ich muss dir etwas sagen...«
    Chlodwigs Gesicht war halb verdeckt von seinen dünnen, langen Haaren. Im matten Licht des Kerzenscheins fiel ihr auf, dass manche Strähne grau geworden war, wiewohl er noch keine dreißig Jahre alt war. Vielleicht war ob des Unglücks sämtliche Farbe geschwunden – so wie das Blut aus seinem Körper.
    In einem Anflug von trostloser Zärtlichkeit neigte sie sich vor, um ihm das Haar aus dem Gesicht zu streichen.
    »Nicht!«, rief er keuchend.
    Sie war sich nicht gewiss, was er abwehren wollte – ihre vorsichtige Berührung oder dass seine Züge nun vor ihr bloß lagen, ungeschützt und unverborgen.
    Sie zuckte zurück. »Darf ich dich nicht berühren, mein Gemahl?«, fragte sie mit belegter Stimme. Sie ließ unausgesprochen, dass es das letzte Mal sein könnte – er wusste es selbst.
    »Bathildis...«, begann er wieder matt, »Bathildis, ich muss dir unbedingt etwas sagen...«
    Mit jedem Wort schien er ein wenig mehr von dem mageren Rest an Kraft zu verpusten, der ihm geblieben war.
    »Nicht doch«, versuchte sie ihn zu beruhigen. »Nicht doch...«
    Er schien ihr zu gehorchen, schaute sie an, mit fieberglänzenden Augen, kindlich und treuherzig. Dann ging jäh ein Ruck durch seine eingefallene Gestalt. Er versuchte sich aufzusetzen, und wiewohl ihm das nicht gelang, reckte er zumindest den

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