Die Regentin (German Edition)
– und war nun selbst überfordert mit der Wirkung dieses Aktes. Das leere Sofa sagte, was alle dachten: Dass einer fehlte, der selten ein guter, niemals ein mächtiger, aber in jedem Fallein König gewesen war. Dass er zwar kaum selbst regiert, mit seinem Namen und seiner Herkunft jedoch die Einheit des Landes gewahrt hatte. Und dass jene beiden Knaben, Childerich und Chlothar, die mit verstörten Gesichtern neben jener Lücke hockten, zu gleichem Zwecke noch nicht taugten.
Bathildis musterte die Söhne nachdenklich; immer wieder schweiften ihre Gedanken auch zu jenem dritten, der nicht unter ihnen weilte, weil er noch zu klein war für die dumpfe Zeremonie: Theuderich.
Sie wusste, dass Fara für ihn sorgte, und kämpfte dennoch mit dem Verlangen, selbst nach ihm zu sehen, ihn zu berühren und sich solcherart zu vergewissern, dass die schmerzhaften Fesseln, die ihr auferlegt waren, und das Opfer, das sie würde bringen müssen, nicht nur von Pflicht und Verantwortung gefordert wurden, sondern von Liebe. Sie seufzte, und wenngleich jener Ton verlöschend leise war, spiegelte er sich ausreichend in ihren zerrissenen Zügen, dass er bemerkt wurde. Der Schatten eines groß gewachsenen Mannes fiel auf sie, neigte sich nieder, fragte: »Darf ich mit dir reden, Königin?«
Es war dies Bischof Eligius, von Noyon gekommen, um den König von Neustrien und Burgund zu Grabe zu tragen, so wie fast alle seine Amtsbrüder und wie sämtliche Vertreter der großen Adelsfamilien, die sich hier im Saal versammelt hatten, um Chlodwigs zu gedenken – und die Zukunft nach ihm zu bereden.
»Gewiss«, murmelte sie, »aber lasst uns hierfür nach draußen gehen.«
Der Rauch, der im Kamin qualmte, setzte ihr zu, desgleichen der Geruch der Speisen. Chlodwig hätte jetzt gierig gegessen, ging ihr durch den Kopf, er hätte sich von keinem Kümmernis der Welt davon abbringen lassen... auch wenn er nicht hungrig war, auch wenn es ihm nicht schmeckte, auch wenn er bei jedem Bissen so aussah, als würde er Tränen hinunterwürgen.
Eligius folgte ihr hinaus in den Gang, doch dort angelangt überließ er es ihr, das Wort zu ergreifen. Sie tat es schnell, verzichtete auf Förmlichkeit – zu sehr erleichtert, endlich jemanden um sich zu haben, dem sie sich anvertrauen konnte. Gewiss, Rigunth war die letzten Tage selten von ihrer Seite gewichen, aber wenn sie jener ihren Zwiespalt bekunden würde, so würde sie wohl nur den tiefen, dunklen Blick ernten – jedoch keine Mahnung, kein Verbot, kein Drängen.
»Chlodwig hat mir am Sterbebett unsere Söhne anvertraut«, begann sie, nach der Aussprache und auch nach seinem Ratschlag derart hungernd, dass sie sich beim Reden verhaspelte. »Er legte mir ihr Wohl in die Hände – und Gott weiß, dass ich es mir nie erlauben könnte, diesem letzten Willen entgegenzuhandeln.«
»Ist es nicht auch der deine, Königin?«
»Mein Wille?«
Sie rang sich ein müdes Lächeln ab.
»Ich kann meine Söhne nicht im Stich lassen«, fuhr sie fort. »Und doch scheint es mir, als wäre ich nun endgültig... gefangen, als dürfte ich jetzt viel weniger als zuvor an meine wahre Heimat denken.«
Sie wusste nicht, wie viel er von ihrer Herkunft wusste. Sie hatte nie mit ihm über die Zeit als Sklavin gesprochen. Dennoch schien er sogleich zu verstehen, was sie ihm sagen wollte.
»Die Heimat... ach«, murmelte er mit jenem festen und gleichermaßen resignierten Ton, der ihm ebenso eigentümlich war wie der ruhige, schläfrige Blick, der sich dem Schönen verweigerte, um das Hässliche besser ertragen zu können. »Magst du dich auch hin und wieder dem Traum hingeben, dass du eine Heimat hättest, wenngleich eine verlorene, so denke ich doch: Wir alle sind heimatlos, das Leben hier ist nichts weiter als eine Reise durch die Fremde.«
»Es ist nicht nur wegen der Heimat«, begehrte sie auf. »Das ferne Land, dem ich entstamme – es hat nur wenige Spuren inmeinem Gedächtnis hinterlassen. Jedoch die Menschen, die dort lebten ... mein einstiger Bräutigam, mit dem ich verschleppt wurde – er lebt... und er ist frei.«
Eligius lächelte nachsichtig.
»Mag einer jemals frei sein – frei von Pflichten? Du trägst an deinen, und sie wiegen schwer. Doch denkst du, dass die seinen leichter sind? Was weißt du von ihm, außer dass er lebt?«
Sie zuckte die Schultern. Die Wahrheit war, dass sie nichts wusste, nicht mehr als das, was ihr Chlodwig auf dem Sterbebette anvertraut hatte. Aidan lebte. Aber wie? Mit einer
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