Die Regentin (German Edition)
Gattin? Als Erbe seines Vaters? Am Königshofe von jenem Teil Northumbriens, welcher Deira hieß? In welchem Amt?
»Aber es ist doch so«, entgegnete sie, »ganz gleich, was mir hier zu tun obliegt und ihm in meiner einstigen Heimat, wäre es nicht mein gutes Recht, ihn wissen zu lassen, dass auch ich noch lebe? Ich... ich könnte doch einen Boten zu ihm schicken! Der König hat’s mir stets verboten, und ich habe mich ihm gefügt, anfangs, weil es mir nutzlos schien, gegen seinen Wunsch zu handeln, später aus Angst, ihn zu kränken, denn wahrscheinlich hätte er davon erfahren. Nein, ich konnte es nicht tun – aber jetzt! Jetzt wäre die Zeit, ihm zu schreiben!«
»Und was willst du ihm über dich berichten?«
Wieder zuckte sie mit den Schultern. Sie hatte niemals ergründet, was Aidan wohl in all den Jahren über sie gedacht hatte, was er sich von ihr erwartet hatte, wie viel Durchhaltevermögen, wie viel Kraft, wie viel Treue. Er hatte nicht gewollt, dass sie ihn schäbig und trauernd in Erinnerung behielt, und deswegen hatte er ihr in jenem letzten Augenblick, den sie zusammen verlebten, verboten, sich nach ihm umzudrehen. Doch was hätte er sich jetzt von ihr gewünscht?
»Nun«, sprach Eligius an ihrer Stelle fort, »ich weiß, was du über dich berichten könntest: Dass du eine Königin bist, deren Herz stets für das Volk und deren Ärmste schlug. Dass du eine große Wohltäterin bist, die nicht müde wird, Leid zu lindern.Und dass deine Söhne in dir eine starke Mutter finden, die würdig wäre... eine Regentin zu sein.«
Sein Lob beschämte sie; sie war sich nicht sicher, ob er sie tatsächlich für eine fromme, gute Seele hielt oder ob er sie nicht vielmehr durchschaute, ob er nicht längst erahnt hatte, dass so viel anderes sie trieb als nur der Wunsch, das Richtige zu tun: der Wunsch nach Genugtuung, der Wunsch nach Macht schließlich.
»Manchmal«, setzte sie an und wusste selbst nicht, ob sie die Wahrheit sprach, »manchmal habe ich mir gedacht, dass ich alles nur um seinetwillen tue... damit er stolz auf mich wäre. Ich verstehe, dass es mir unmöglich ist, in meine Heimat zurückzukehren – aber warum soll er nicht wenigstens Nachricht von mir haben?«
»Wenn du dir sicher bist, Königin, was du zu tun hast, wenn du dich entschließt, um die Regentschaft zu kämpfen, dann darfst du dir keine Schwäche erlauben. Es wird dies schwer genug sein, denn du hast viele Widersacher, und jene warten nur auf einen Beweis, dass deine Treue und deine Gedanken nicht ausschließlich diesem Land gelten. Königin, deine Herkunft ist dein wunder Punkt, und sie werden dich da treffen, wenn du ihnen Gelegenheit dazu gibst.«
»Aber, wenn ich heimlich...«
»Von nun an wirst du nie mehr wissen, wem du trauen kannst. Überall kann ein Spitzel, kann ein Verräter lauern. Ich will es dir eindringlich raten: Schick keine Botschaft nach Northumbrien, nicht jetzt, nicht solange deine Herrschaft ungesichert ist... und das kann Jahre dauern.«
Sie seufzte. Seine Worte waren ebenso schmerzhaft wie einleuchtend.
»Eligius, sagt mir eins: Damals, da Ihr beschlossen habt, nicht länger Goldschmied zu sein, da Ihr Euch fortan dem Schönen, dem Prachtvollen verweigert habt – sagt, wie weh tat dieses Opfer? Woher habt Ihr die Gewissheit genommen, dass es Euchnicht das Herz bräche... und Ihr fortan nur mehr als halber Mensch weiterlebtet, weil die andere Hälfte sterben würde?«
Er lächelte – ein wenig stolz, ein wenig bitter, ein wenig kummervoll.
»Ach, meine Königin, dir kann ich’s anvertrauen: Ich dachte stets und sage Gleiches bis heute laut, dass kein Opfer groß genug wäre, um Gott zu genügen. Alles müssen wir ihm geben. Alles in die Waagschale werfen... Freilich, nicht jeder meiner Amtsbrüder tut das. Mancher Bischof, wie Aetherius von Vienne, ist verheiratet, macht seine Söhne zu Diakonen und Archidiakonen und häuft Besitz an, um diesen zu vererben, ich aber, ich liebe es, sie zu beschämen, stets zu bekunden, dass ich auf das eine wie auf das andere verzichtet habe. Doch warum tat ich das wirklich? Was war mir dies Opfer wert? Wenn ich ehrlich bin, ich tat’s nicht nur für Gott. Ich tat’s, damit ich unbestechlich würde, damit ich die Macht gewänne, die anderen anzuprangern. Ich habe viel verloren – doch eines habe ich gewonnen: Überlegenheit.«
Sie fühlte sich von ihm durchschaut, jedoch nicht bloßgestellt, sondern verstanden.
»Wenn ich nun wirklich um die Regentschaft kämpfe...
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