Die Regentin (German Edition)
daran schlecht sein, wenn du dir deine Macht mit Fürsorge sicherst und nicht mit Gewalt?«
Bathildis nickte nachgebend. »Ja«, sagte sie, »da hast du recht.«
Noch viel, viel früher, als ihr lieb war, sollte sie an jene Worte denken – bereits am nächsten Morgen.
Nur mehr eine kurze Strecke trennte sie von der Heimat, und sie freute sich schon auf ihre Söhne und auf den reinlichen Palast. Sie saß versonnen, vom Gerumpel nicht gequält wie sonst, und – weil es noch morgens war – nicht aufgestöbert von Blicken.
»Je näher ich der Hauptstadt komme«, spottete sie, »desto rarer werden solche, die mich unverhohlen lieben. Es scheint, dass man hier genug zu essen hat...«
Kaum hatte sie das ausgesprochen, hielt unverhofft der Wagenund fuhr nicht wieder an. Sie beugte sich nach draußen in die Morgenluft, die nun, zu Beginn des Herbstes, frischer und klarer als jene schwülstig-gleißende Wolke war, die sonst über ihnen hing. Sie hörte Stimmen – die von ihren eigenen Leuten und eine von einem fremden Mann. Es schien ein Mönch zu sein, das erkannte sie an seiner Kutte, desgleichen an der Tonsur. In der Mitte der Straße stand er, wo er fuchtelnd die Hände erhoben hatte. Mehrmals hörte sie ihn ihren Namen sagen.
»Mir scheint, er will nicht eher gehen, als dass er dich selbst gesehen hat«, meinte Rigunth. »Vielleicht will er dich segnen – zum Dank für das, was du getan hast.«
Bathildis verbarg ihren Überdruss. Schon raffte sie die Tunika, um hinauszusteigen. Die Straße war – hier in der Nähe von Paris – zwar breit und glatt, doch ihre ledernen Schuhe wurden alsbald von einer weißen Schicht bedeckt.
Zumindest ist’s kein Schlamm, dachte sie und trat dem Kirchenmann forsch entgegen, auf dass sie die Begegnung schnell hinter sich bringen könnte.
Kaum dass er sie erblickte, erstarrte und verstummte der Mönch. Zuerst dachte sie, es sei die Scheu, die ihn zur Salzsäule formte, und sie lächelte aufmunternd. Doch nun, da sie noch näher trat, so traf sie ein Blick, der nicht Respekt und Liebe bekundete, sondern Abscheu und Verachtung. Von buschigen Augenbrauen umgrenzt, war er dunkel und bedrohlich, und von Wut kündeten auch die verzerrten Lippen des Mannes.
Bathildis schwand das Lächeln, und doch begriff sie zu langsam, welch Hass ihr da entgegenfloss. Anstatt zu fliehen, trat sie noch näher und konnte sich nicht rechtzeitig ducken, als der Mönch aus seiner Erstarrung erwachte, sich bückte und nach einem Stein griff. Klein, aber spitz flog er ihr entgegen, prallte gegen ihren Arm.
Überrascht weitete sie die Augen, da begann der Mönch schon zu brüllen: »Du Sünderin! Du Sünderin! Du bist wie Jezabel! An deinen Händen klebt Blut!«
Ihr Zittern hatte nicht aufgehört, als sie den Palast erreichten, wiewohl ihr Rigunth besänftigend die Hände auf die Schultern gelegt hatte.
»Gewiss waren die Sinne des Mannes verirrt. Er wusste nicht, was er da sagte...«
»Sein Blick war böse«, unterbrach Bathildis sie heftig, »aber nicht des Wahnsinns!«
Der unbekannte Mönch hatte noch mehr Steine auf sie geworfen, und seine Beleidigungen waren erst verstummt, als zwei Männer der Antrustionen sich auf das Lästermaul gestürzt hatten, den Mann gepackt, ihn brutal auf die Knie gezwungen und ihm schlimme Strafe angedroht hatten, würde er seine Worte nicht zurücknehmen.
»Die Zunge soll man dir rausschneiden!«, murrte einer, indessen Bathildis immer mehr erbleichte.
Sie hob die Hand, und ihre Männer lasen daraus den Befehl zu schweigen – der Mönch hingegen musterte sie von unten her, die Augen argwöhnisch zusammengekniffen und die Lippen bebend vor Zorn.
»Warum sagst du so etwas?«, fragte Bathildis, ohne zu begreifen.
»Weil es die Wahrheit ist!«, knurrte der Mann. »An deinen Händen klebt Blut! Bischofsblut! Du bist eine Mörderin!«
Die Anschuldigung war so entsetzlich, dass sie nicht weiter fragen konnte – und der Mönch wollte dem auch nichts hinzufügen, während die beiden Ritter auf ihn einhieben und neben der Strafe, ihm die Zunge herauszuschneiden, auch jene des Blendens und Kastrierens ankündigten. Blut begann aus der Nase des Wütenden zu fließen, doch er wehrte sich nicht, sondern ließ die Schläge über sich ergehen.
»Lasst ihn laufen, er ist von Sinnen!«, sprach Bathildis leise, und dann begann sie zu zittern.
Noch im Hof des Palastes verflüchtigte sich die Ahnung nicht, dass jener Mönch durchaus bei Sinnen war und irgendetwasUnerhörtes
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