Die Regentin (German Edition)
sie schäbig, wo er ihr doch die Beeren gebracht hatte.
»Aber mein Vater – warum spricht er nicht mit mir?«
»Man sagt, dass er seit Estriths Tod kaum mehr den Mund aufmachte – so wenig wie er’s tat, bevor er sie geheiratet hat. Und am wenigsten, so hört man auch, kann er ertragen, wenn Frauen sich streiten. Zu oft hat er das erlebt, wenn deine Mutter mit der seinen zusammenstieß.«
»Ich kann mich kaum entsinnen... weder an das Gesicht der einen noch an das der andern«, murmelte Bathildis nachdenklich. »Erzählst du mir nun mehr vom grausamen König Penda?«
Aidan duckte sich wieder unbehaglich. »Später«, vertröstete er sie dann. »Wenn die anderen schlafen, komme ich in dein Zelt geschlichen.«
Die Nacht war ein schwarzer Schlund, der Wald mit seinen Sümpfen, Farnen und Steinen so verstummt, als hätte er sich nicht nur zur Ruhe gelegt, sondern wäre lautlos verendet.
Aidan war nach seiner Erzählung an Bathildis’ Seite eingeschlafen. Sie spürte seinen Atem, weich und warm. Würde es immer so bleiben – dass sie sich in seiner Gegenwart wie eine große Schwester fühlte, die den kleinen Bruder beschützt undzugleich seiner spottet? Welches Leben würde sie an seiner Seite führen?
Er hatte vom Hof des Königs erzählt, wo er nach seiner Jugend im Kloster gelebt hatte und erzogen worden war. Dies war gewesen, nachdem Penda Northumbrien erneut heimgesucht hatte, sich dann jedoch gegen andere Teile Britanniens gerichtet hatte und man das Reich in zwei Teile stückelte, Bernicia und Deira. In dem einen herrschte des toten Oswald Bruder Oswiu, im anderen Oswine.
»Oswine«, hatte Aidan erzählt, und erstmals hatte das Glänzen in seinen Augen seine Scheu überwogen, »Oswine taugt so wenig zum Krieger wie ich. Er mag die Schrift... ich auch. Er ist bekannt dafür, dass er sämtliche christlichen Tugenden lebt, und ein enger Vertrauter von ihm ist ein Bischof, der so heißt wie ich – Aidan von Lindisfarne. Dank ihm kennt König Oswine die Bücher vieler Kirchenväter, und er liebt das Reiten nur dann, wenn es sonnig ist und klar – nicht kalt und regnerisch.«
Leider, so hatte er seufzend geendet, regnete es oft in ihrer beider Heimat.
Eine Weile hatte er noch erzählt, von den vielen Mooren in den dichten Wäldern, dass manch einer dort versank und niemals wiedergefunden wurde und dass er deswegen viel lieber bei Hofe bliebe, als zu reisen, dann war er an ihrer Seite eingenickt.
Bathildis sah von Aidans schlafender, gekrümmter Gestalt nichts weiter als den Umriss. Vorsichtig streckte sie die Hand aus, um den ruhig Atmenden zu berühren. Die Haut seines Gesichts war glatt und erinnerte sie an die von Hereswith, die sie erfühlt hatte, als sie in der Nacht im Taubenturm so eng beieinander gehockt waren. Ob dieser Mann, in Wahrheit noch ein Knabe, jene Sünden begehen würde, von denen die Nonnen erzählt hatten, dass sich alle Eheleute ihrer schuldig machten?
Wenn Mann und Weib des Nachts beieinanderlagen, so hatte es geheißen, würde der Teufel am Rande des Bettes hocken, undnur das Sakrament der Ehe – um sie gesponnen wie ein unsichtbares Spinnennetz – würde ihn abhalten, die beiden Seelen zu rauben. Die Lust, die das Zusammenliegen zeugen konnte, lockte den Teufel an, und fernhalten ließ er sich nur vom Willen, die Geschlechtlichkeit ausschließlich für das Zeugen eines neuen Erdenbürgers zu nutzen – nicht für die Sünde. Jene Sünde hatte das Weib auf die Welt gebracht, so hatte Bathildis nicht nur gehört, sondern auch in den Schriften des Papstes Gregor gelesen. Schon die erste Frau, die Gott geschaffen hatte – aus der Rippe des Mannes –, war zu schwach, das Richtige zu tun, war stattdessen den Verlockungen der Schlange erlegen und hatte obendrein auch Adam verführt, es ihr gleichzutun. Das Kreuz Christi hatte zwar alle Frauen von den Verbrechen ihres Geschlechts reingewaschen... doch wie schnell, so hatte die Äbtissin Eadhild sie gelehrt, vermochte man ein sauberes Stück Leinen beschmutzen? Um wie viel schneller dann die Tugend des Weibes? Seid auf der Hut, seid stets auf der Hut, denn der Teufel schläft nicht!
Aidans Körper freilich verhieß nichts von der gefürchteten Sünde. Er fühlte sich warm, weich... und unschuldig an.
Vielleicht ist es trotzdem verboten, ging Bathildis durch den Kopf, dass ich hier neben ihm schlafe...
Etwas unbehaglich rückte sie von ihm ab, legte endlich den Kopf auf die dünne, harte Strohmatte und schloss die Augen, nicht
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