Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Regentin (German Edition)

Die Regentin (German Edition)

Titel: Die Regentin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
Vom Netzwerk:
wendete sie sich ab, indessen die andere wie eine Ziege meckerte. Den stillen, gequälten Aidan ertrug Bathildis freilich nicht besser.
    »Nun gut«, sprach sie nach einer Weile in Bruntjes Richtung. »Erzähl mir noch mehr von den Männern aus dem Norden. Sind sie wirklich alle Heiden? Und wenn uns ein Franke kaufen würde – was weißt du von ihrem Volk zu erzählen? Was wären die Arbeiten, die wir bei ihnen verrichten müssten – außer jenen, die du schon nanntest?«
    Bruntje antwortete bereitwillig, von nun an plapperte sie den ganzen Vormittag über. Unterbrochen ward sie nur, wenn jemand kam, sie musterte, für sie bot. Sie hatte nicht gelogen, als sie den guten Preis erwähnte, den ihr Besitzer erzielen wollte. Einer bot sogar ein Bärenfell für sie, und es war jenem noch zu wenig.
    Bruntje ließ sich davon nicht aus dem Takt bringen, sondern erzählte gleich danach weiter – und Bathildis versuchte, sich so viel wie möglich zu merken, ungeachtet, ob sie es jemals würde brauchen können oder nicht.
    Die Heiden, so erfuhr sie, glaubten nicht, dass der allmächtige Gott das Leben schenkte, sondern eine Göttin, welche Freya hieß und nach Lust und Laune auch den Tod bringen konnte. Es gab kein Paradies, wo der Baum der Erkenntnis stand, von dem Adam und Eva gegessen hatten, jedoch den Weltenbaum Yggdrasil, an dessen Wurzel ein Riese hockte, um ihn zu bewachen. Odin war furchtlos eingedrungen, hatte den Riesen besiegt (und dabei ein Aug eingebüßt) und schließlich aus den Blättern des Yggdrasil einen Trunk gebraut, welcher ihm auf ewig Weisheit schenkte.
    Erstmals regte sich Aidan.
    »Sie soll das Maul halten!«, zischte er kaum hörbar. »Dieses gotteslästerliche Geschwätz ist nicht zu ertragen!«
    Bathildis sah ihn an, überrascht, dass er sich überhaupt regte. »Warum soll es Gotteslästerei sein, sie erzählt doch nur, was...«
    »Hach! Was bringt’s!«, presste er zwischen den Lippen hervor.
    Bruntje lachte schrill und musterte ihn wieder verächtlich. »Nun, da du mich nach den Arbeiten der Sklaven gefragt hast... da heißt’s Feuerholz auf dem Rücken zu schleppen, Torf stechen, Dung auf den Feldern verteilen. Nichts, was leicht und mühelos geht. Nur wenige Auserwählte dürfen Holz für den Webstuhl schnitzen.«
    Bathildis blickte vorsichtig zu Aidan: »Hast du das gehört?«
    »Ich will es nicht hören.«
    »Aber...«
    »Ich würde lieber sterben.«
    Bruntje lachte. »Das ist ein wahrhaft guter Einfall von deinem Bruder!«
    »Er ist nicht mein Bruder!«, gab Bathildis zurück, nicht sicher, über wen sie mehr verärgert war, über die spottende Bruntje oder den schwächelnden Aidan. »Er ist...«
    Weiter kam sie nicht.
    Während sie Bruntje gelauscht hatte, hatte sie nie aufgehört, mit wachen Augen herumzublicken und alles zu erfassen, was auf dem Markte vor sich ging. Nicht weit von ihnen dreien erblickte sie plötzlich jemanden, mit dem sie nicht gerechnet hatte.
    Gott sei’s gedankt!, durchfuhr es sie, und ihr Herz begann aufgeregt zu pochen. Gott sei’s gedankt! Er wird uns retten können!
    »Exaudi, Domine, orationem meam et ne despexeris deprecationem meam. Conturbatus sum a voce inimici et a tribulatione peccatoris...«
    Herr, erhöre mein Gebet, verbirg dich nicht vor meinem Flehen! Das Geschrei der Feinde verstört mich; mir ist angst, weil mich die Frevler bedrängen.
    Sie rief den Psalm. Sie rief jenen Psalm, den zu beten sie Godivauntersagt hatte, als die Nordmänner das Kloster überfallen hatten. Nun wollte sie die Aufmerksamkeit jenes Mannes auf sich ziehen, der dort, nicht weit von ihr, die Reihen auf und ab schritt.
    Sie sah ihn nur von hinten, doch das reichte, um zu erkennen, dass seine Haare zur Tonsur geschoren waren und er eine graue Kutte trug, in der Leibesmitte mit einem einfachen Strick aus Hanf gegürtet.
    Aidan blickte verwundert hoch, Bruntje auch. »Was schreist du denn so, Mädchen?«, fragte sie verwirrt.
    »Exaudi, Domine, et ne despexeris deprecationem meam!«, wiederholte Bathildis, ohne auf die beiden zu achten.
    Da hinten ging ein Mönch, ein Mann Gottes. Ganz gleich, was ihn in diese Menschenhölle verschlagen hatte, welchem Land er entstammte und was er hier suchte – er war ein Christ, so wie sie und Aidan Christen waren, jenen Geboten verpflichtet, die die schrecklichen Heiden nicht kannten, und dazu gehörten Mildtätigkeit und Fürsorge für die Geschundenen, Mühseligen und Beladenen.
    Oh, bitte dreh dich um, du Bruder in Christus!, dachte

Weitere Kostenlose Bücher