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Die Regentin (German Edition)

Die Regentin (German Edition)

Titel: Die Regentin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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seine Worte darum verstehen konnte, wusste sie, was er tat, und noch ehe ihr Schicksal besiegelt war, begann sie, sich dagegen zu erheben – indem sie sich mit aller Macht gegen die Fesseln warf und ohrenbetäubend laut schrie.

VII. Kapitel
    Sie schrie noch, als man beschloss, sie zurück aufs Schiff zu schaffen – ein letztes Mal, für eine letzte Nacht. Es waren keine Worte, die sie ausstieß, sondern ein klagendes Gewirr aus Ohnmacht und tiefem Entsetzen.
    Ihre Leibschmerzen hatten in den letzten Tagen nachgelassen, nun kamen sie zurück, gleich so, als habe sie eine Kröte geschluckt, die in ihrem Magen weiterlebte, ihn zerfraß, mit jedem Bissen größer wurde. Sie höhlte sie aus, ließ nur eine Hülle zurück – und den Gedanken, dass es nicht geschehen durfte: nein, nein, nein!
    Der Mönch Answin scherte sich nicht darum; die Friesen auch nicht.
    Nur Aidans Stimme drang zu ihr, zittrig, als wäre auch in ihm der letzte Funke an Hoffnung und Lebenslust erloschen.
    »Bitte nicht!«, warf er hilflos ein, flehend, sie solle sich nicht derart gehen lassen, auch wenn er selbst nichts Geringeres als ein Todesurteil vernommen hatte.
    Getrennt.
    Auseinandergerissen.
    Niemals ein Wiedersehen.
    Bathildis schrie sich sämtliche Luft aus der Brust, überzeugt, dass sie sich befehlen könnte zu ersticken. Doch dann japste sie verräterisch nach Atem und brachte auch wieder klare Worte hervor.
    »Warum habt Ihr das getan?«, schrie sie Bruder Answin zu.
    Das Gesicht des Mönches war nicht mehr rotgefleckt wie am Morgen, sondern eingefallen.
    »Ich kann nicht euch beide... nehmen. Sieh’s ein, Mädchen.«
    Das konnte sie nicht. Kaum konnte sie begreifen, dass er sie erst am nächsten Morgen mit sich nehmen würde, dass ihr noch eine letzte gemeinsame Nacht mit Aidan blieb. Was nutzte solch Aufschub des Grauens?
    Getrennt.
    Auseinandergerissen.
    Niemals ein Wiedersehen.
    Die Worte umkreisten sie wie Aasgeier, einen Kadaver witternd, wiewohl jener doch schon bis auf seine Knochen abgenagt war.
    Als man sie zurück zum Schiff schleifte, trat sie mit Händen und Füßen um sich, indessen Aidan mit gesenktem Kopf vor sich hin trottete, schicksalsergeben, kraftlos.
    O, wenn er doch schreien würde wie sie! Weinen wie sie! Sich ausdenken, wie ihnen doch noch gemeinsam die Flucht gelänge!
    Er tat nichts dergleichen, und je länger sie ihm dabei zuschaute, wie er sich mühsam, aber willig unter einer Last beugte, die er niemals würde schleppen können, da brach auch ihr Widerstand. Sie gab alles Kämpfen auf und wähnte, schon jetzt zu jenem Staub zu werden, zu dem der Mensch am Ende seines Lebens wird.
    Die pechschwarze Nacht waberte wie Nebel durch die Ritzen und verschluckte sämtliches Licht. Vielleicht war da irgendwo noch ein matter Schein zu erspähen, zitternd und gelb, wenn sie nur lange genug danach suchte. Bathildis aber tat es nicht. Sie hielt die Augen fest geschlossen, wider alle Gewissheit hoffend, dass solcherlei Vortäuschung des tiefen Schlafes die Nacht niemals würde enden lassen. Vielleicht würde sie sich ausdehnen,Stunde um Stunde, die ganze Menschheit knebeln und den Sonnenaufgang auf ewig verschieben. Nie wieder würde es Licht geben in ihrem Leben – aber immerzu Aidan.
    Sie wusste nicht, was er machte, ob er sich die Seele aus dem Leib geweint hatte wie sie, ob er eingenickt war, ob er sinnend brütete.
    Sie tastete sich zu ihm vor, und als sie mehrmals nur ins Leere griff, gebrauchte sie entgegen ihrem Vorsatz ihre Stimme.
    »Aidan...«, murmelte sie. »Aidan...«
    Er schien sie nicht zu hören, wie er sich auch nicht regte, als sie schließlich eines seiner Glieder ertastete – eine leblose Hand, so kalt, als hätte man sie vom Körper abgeschlagen. Es schien, als wäre der Leib, der da hockte, gefällt wie ein Baum, kein ganzer Mensch.
    »Aidan...«
    Sie duldete seine Leblosigkeit nicht, und auch nicht seine Kälte. Zuerst streichelte sie sanft über seine Hand, dann begann sie, sie warm zu reiben, fuhr mit den Fingern unter den zerfledderten Stoff seines Hemdes.
    Er zuckte zusammen. »Was tust du denn, Bathildis?«, entfuhr es ihm.
    Sie schloss die Hände um seinen Kopf, ließ sie – solcherart ineinander verknotet – über seinen Nacken gleiten, über seinen Rücken, als müsste sie jedes Fleckchen seines Leibes abtasten, um sich zu vergewissern, dass er noch hier wäre. Freilich schien sie den Händen zu misstrauen. Schon schnellte ihr Kopf vor, auf dass auch ihre Lippen von seiner

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