Die Regentin (German Edition)
hatte am gestrigen Tag tatsächlich eine Arznei gefunden, die ihm die Schmerzen für wenige Stunden vertrieb. Nicht mürrisch wie sonst musterte er sie, sondern mit verschlagenem, boshaftem Grinsen.
»Wie soll ich dich wohl bestrafen?«, sprach er, und ihr Magen krampfte sich diesmal nicht vor Hunger zusammen.
Bathildis schlief schlecht im feuchten Bauernhaus. Der Mann der Bäuerin war am Abend vom Tagewerk zurückgekehrt, nass vom Regen, doch ohne Lust, sich trockene Kleidung anzuziehen. Vielleicht gab es solche nicht. Vielleicht war alles, was in jener schmucklosen Truhe bei der Schlafstätte verstaut war, klamm. Er schlug jenes rotzige Kind, das am lautesten greinte, legte sich hernach nieder, um zu schlafen, und tat dies mit lautem Schnarchen.
Sicho hingegen stöhnte. Das graue Kraut, das ihm die Bäuerin zum Kauen gegeben hatte, milderte sein Leiden offenbar nicht – mit nörgelnder Stimme sagte er das auch am nächstenMorgen, als sie aufbrachen, obendrein mit leerem Magen, denn die Alte war von ihrem Mann geheißen worden, den durchfahrenden Gästen nichts mehr anzubieten. Der armselige Scheffel Getreide sei nicht mehr wert als ein Abendessen und eine Schlafstatt.
Die Kinder starrten ihnen ausdruckslos und mit offenen Mündern nach. Wiewohl der Himmel fahl war, hatte es aufgehört zu regnen. Anfangs war es leicht, mit dem Karren voranzukommen, denn der Schlamm war über Nacht getrocknet. Nicht weit vom Dorf entfernt jedoch war der Weg wieder beinahe unbefahrbar. Der Ochse quälte sich, schaffte aber kaum noch einen Schritt ohne Schläge, die Scheibenräder knackten wieder bedrohlich.
»Geh du allein voran und bring hernach Kunde, wie es ausschaut!«, brummte Sicho schlecht gelaunt. »Wird der Weg vorne besser, so wollen wir das Stück überwinden! Wird’s aber schlimmer, so müssen wir zurückkehren und eine andere Route nehmen!«
Selten hatte er so viel zu Bathildis gesprochen... nicht mehr zumindest seit jener schrecklichen Nacht. Sie musste längst nicht mehr aufmerksam lauschen, um ihn zu verstehen; die fränkische Sprache war ihr mittlerweile verständlich.
»Ja«, sagte sie schlicht und ging.
Sie ahnte nicht, dass das die letzen Worte waren, die Sicho jemals zu ihr sprechen würde.
Am Abend nach der missglückten Flucht hatte Sicho sich in einer Gaststube einquartiert, was er sich bislang erst einmal geleistet hatte. Damals musste Bathildis im Stall beim Ochsen schlafen. Diesmal war es anders. Seine Strafe für ihren Fluchtversuch hatte er immer noch nicht verkündet, sie jedoch geheißen, bei ihm zu bleiben. Er wollte den Augenblick nutzen, da er keine Schmerzen hatte, um sich zu reinigen. Mit einem Badehaus konnte die Wirtin nicht dienen, jedoch mit einem Holzzuber, den sie mit warmem Wasser gefüllt hatte.
Mit langsamen Bewegungen – seine Glieder waren längst nicht mehr wendig – entkleidete sich Sicho.
»Welchen Nutzen hast du für mich eigentlich, Mädchen?«, fragte er. »Hast kaum Kraft in den Armen und läufst mir obendrein fort! Nenn mir einen Grund, warum ich dich nicht totschlagen soll?«
Noch machte er ihr keine Angst. Seine Worte waren leichter zu ertragen als ihr knurrend leerer Magen und die Einsicht, dass es ihr, ganz auf sich allein gestellt, unmöglich gelingen würde, jemals heimzukehren. Sie stand gebeugt, den Blick gesenkt; sie merkte nicht, dass Sicho nackt war.
»Du hast teuer für mich bezahlt«, sagte sie kleinlaut.
»Und deswegen«, gab Sicho zurück und ließ sich ächzend im warmen Wasser nieder, »solltest du mir mehr bieten als bisher! Komm her! Schrubb mir den Rücken!«
Stärker als das Gefühl von Bedrohung war nun jenes des Ekels. Niemals hatte sie einen Mann nackt gesehen, vor allem nicht einen, dessen Rücken so rot und nässend und wund war. Seine Hände waren braun, die übrige Haut bis zu den Schultern jedoch weiß und mit roten Punkten überdeckt. Sie presste die Lippen zusammen und neigte sich nieder, um ihm widerwillig zu gehorchen, hoffend, sie möge ihn mit dieser Willfährigkeit ihren Ungehorsam vergessen machen.
Doch just, da sie sich hinabbeugte, schnellte er vor, packte ihre Hand und zog sie zu sich ins Wasser. Erschrocken schrie sie auf, nicht sicher, was er bezweckte, als sie plötzlich zwischen den Fingern einen Aal hatte. Zumindest war ihr so, als griffe sie nach solch glitschigem, wendigem Fisch. Sie schrie erneut auf, diesmal angewidert, doch Sicho hielt sie fest und zwang sie, mit den Fingern jenen Aal zu umgreifen.
Sie würgte,
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