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Die Regentin (German Edition)

Die Regentin (German Edition)

Titel: Die Regentin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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als eine rote Spitze aus dem trüben Wasser wuchs, zuckend auf- und niederschnellend, in jenem Rhythmus, in dem er ihre Finger dirigierte.
    »Nun fass schon zu, Mädchen!«, keuchte er.
    »Nein!«, schrie sie, gewahrend, dass dieser glitschige rote Wurm nichts anderes sein konnte als jenes Körperglied, womit der Mann sündigt. »Wenn du mich anrührst, wird Gott dich strafen! Gleiche Schmerzen, die in deinem Maul toben, werden dein widerwärtiges Geschlecht befallen!«
    Er ächzte, als befielen ihn schlimmere Schmerzen als je. Doch zugleich lachte er. »Ich geb schon Obacht, dass ich mit dir keinen Bastard zeuge. Alles andere muss der Allmächtige ertragen.«
    Seine Faust ballte sich noch fester um die ihre zusammen, fuhr auf und nieder, und alsbald spuckte der rote Wurm weiße Tropfen, die auf dem trüben Wasser trieben. Der Wurm fiel in sich zusammen, Sicho jedoch ließ sie nicht los.
    »Wage nie wieder davonzulaufen!«, herrschte er sie an.
    Anstatt ihre Hand loszulassen, zog er sie tiefer, packte sie am Hals und drückte sie ins Wasser, so lange, bis sie fast darin ersoff. Als er sie sich endlich wieder aufrichten ließ, wusste sie nicht, was schlimmer war: Dass er sie fast ertränkt hatte oder dass auf ihrem Gesicht und in ihren Haaren die Spuren der farblosen Tropfen seines Samens klebten.
    Bathildis ging langsam. Sie wollte vermeiden, zu schnell an Sichos Seite zurückzukehren. Freilich merkte sie bald, dass die Einsamkeit nicht Trost und Erleichterung versprach. In seiner Nähe gab es nur eines zu beachten: sämtliche Gefühle totzustellen, um das Grausen zu bezwingen.
    Ohne ihn, auf sich allein gestellt, fragte sie sich unweigerlich: Wie weit würde er noch gehen? Was würde er ihr noch alles antun?
    Es war nicht bei diesem einen Mal geblieben – fast jede Nacht hatte er sich seitdem an ihr vergangen, hatte entweder sein Geschlecht an ihren Händen gerieben, an ihrem Bauch, zwischen den Oberschenkeln, einmal sogar an ihrem Gesicht. Er blieb bei der Überzeugung, dass es die geringere Sünde sei,den Samen auf ihrer Haut zu vergießen – geringer in jedem Falle, als in Unzucht ein Kind zu zeugen.
    Bathildis ließ ihn in dem Glauben, denn was würde erst geschehen, entdeckte er, was Bathildis einst in einem Buch im Kloster gelesen hatte: dass es viel schlimmer war und eine größere Strafe nach sich zog, wenn man den Samen vergeudete, anstatt eine Frau zu schänden? Denn solches Vergehen bedeutete – so die Stimme der weisen Kirchenmänner –, dass man einem möglichen Kindlein nicht zu leben gestattete, und das wiederum hieß, man beging ein ähnlich schweres Unrecht wie einen Mord.
    Bathildis blickte stumpfsinnig auf den Weg. Der Schlamm war zu Krusten getrocknet, in dessen Narben sich manches Geröll und Geäst, das die Regenfluten mitgespült hatten, verfing. Der Wegesrand war nicht schroff und gerade, sondern quoll desgleichen vom Dreck über. Über ihr kreisten Krähen, ihr dunkles Gefieder war vom Wind gebläht.
    War es sinnvoll, Sicho einzureden, dass sie ins Dorf zurückgehen müssten? War sie dort womöglich besser vor seinen Übergriffen geschützt? Doch war es in jener feuchten Hütte mit den quengelnden Kindern eher auszuhalten als auf der Landstraße?
    Sie quälte sich mit einer Entscheidung, wissend, dass alles, was sie tun konnte, unerträglich wäre, mühselig... und schändlich.
    Sie blickte an sich hinab, davon überzeugt, dass sich ihre gebrochene Seele in der elenden Gestalt, die sie bot, widerspiegeln musste. Tatsächlich war der Anblick der dreckigen Füße und des zerfledderten Kleides so entmutigend, dass sie schließlich stehen blieb, sich umdrehte, zurücktrabte, so widerwillig und langsam, wie sonst nur der Ochse ging.
    Gottlob, dass du mich nicht sehen kannst, Aidan! Gottlob, dass du nicht weißt, was Sicho mir antut!
    Gefährlich nahe grub sie an dem Schmerz. Allzu leicht konnteer aufbrechen, so wie der weiche Schlamm alsbald über die Krusten treten würde.
    Noch ehe das geschehen konnte, hörte sie einen Laut, schrecklich und unheimlich und durch Mark und Bein gehend.
    Sie hatte oft erlebt, dass Sicho unter Schmerzen stöhnte, nun aber schrie er, als würde er bei lebendigem Leib geröstet!
    Ihre Schritte beschleunigten sich, sie rannte.
    Je näher sie kam, desto lauter wurde sein klägliches Rufen, und als sie um die letzte Kurve bog, die sie von ihm trennte, erblickte sie ein grauenhaftes Bild.

IX. Kapitel
    Zuerst stand sie starr und unbeweglich wie ein Baum, gleich so,

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