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Die Regentin (German Edition)

Die Regentin (German Edition)

Titel: Die Regentin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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Schritte trampelten über den Hof; ein merkwürdiges Prasseln ertönte, wiewohl der Himmel keinen Regen spuckte, und über alldem erklangen spitze Schreie.

XIII. Kapitel
    »Was soll ich nur tun?«, fragte Oda verzweifelt. »Was soll ich nur tun?«
    Drei Tage waren seit dem schrecklichen Ereignis vergangen, und seine Spuren noch allgegenwärtig. Die Rußschicht war abgewaschen, aber der Geruch nach verbranntem Fleisch hing diesig in der Luft.
    »Mir fehlen fünf Frauen, folglich zehn Hände!«, rief sie, als wäre der Brand in der Flachskammer einzig ausgelöst worden, auf dass ihr das Leben schwergemacht werde. Fünf der Frauen waren in der Flammenhölle umgekommen, nachdem eine von ihnen eine Öllampe hatte fallen lassen.
    »Servierst bei der herrschaftlichen Tafel eben gebratenes Menschenfleisch!«, warf eine Sklavin ein.
    Bathildis hätte sich ob der Worte übergeben wollen. Die Toten hatten gedörrten Pflaumen geglichen. Als man einen der Leichname berührte, war eine Hand abgefallen und zu Asche zerrieselt. Seit diesem Augenblick vermochte sie den Dreck und Staub noch weniger zu ertragen.
    »Halt’s Maul!«, zischte Oda. »Keine von euch gebraucht mir je wieder eine Lampe und rennt damit in eine Kammer, die von oben bis unten mit Schafschur und Flachs gefüllt ist.«
    Streng schüttelte sie den Kopf.
    Ach, wenn ich nur unter ihnen gewesen wäre!, dachte Bathildis. O, wie gerne hätten mich die Flammen haben können!
    »Leutsinda bringt mich um, wenn sie erfährt, dass wir in diesem Winter viel weniger Tuch fertigen können, weil uns die Wolle fehlt!«, fuhr Oda verbittert fort.
    »Dafür muss sie erst den Frühling erleben!«, warf eine der Aufmüpfigen wieder ein.
    Zu Bathildis’ Erstaunen stand in ihrer aller Gesichter kein Entsetzen, sondern schrille Belustigung. In jener Stunde, da sich das Grauenhafte ereignete und schwarze Asche vom Himmel regnete, hatten alle starr gestanden und auf den ersten Blick erkannt, dass es zu spät war, die schon lichterloh Brennenden mit Wasser zu löschen.
    »Spart euch die Mühe!«, hatte einer der Stallknechte gesagt. »’s ist gut, wenn die Flammen nicht übergreifen. Vor allem nicht auf die Kirche. ’s wäre sonst geboten, die Reliquien davor zu schützen, ganz ungeachtet der Gefahr. Aber so... Weiber wie diese wachsen nach...«
    Bei diesen Worten hatten zwei der Sklavinnen vor Schreck zu lachen begonnen, vielleicht auch, um die spitzen Schreie der Brennenden zu übertönen, und hatten selbst dann nicht aufgehört, als sie vor Lachen schon weinten und die Flammen keine Nahrung mehr fanden. Seitdem geschah’s fast jede Stunde, dass irgendeine, die sich bislang nur durch Schweigsamkeit und Schlichtheit hervorgetan hatte, in durchdringendes Meckern ausbrach, das den ganzen Körper zum Beben brachte.
    »Hast recht«, sprach Oda eben. »Bis es Frühling ist, ist Leutsinda tot, das meine ich auch. Aber morgen Abend lebt sie, und dann will sie ein glänzendes Fest.«
    »Das glaube ich nie«, lachte eine, »dass der König Itta mit den schmalen Lippen zur Frau nimmt!«
    »’s ist auch nicht unsere Sache, darüber zu bestimmen. Doch wer von euch dreckigen Dirnen besitzt schon Kenntnis davon, wie man sich gegenüber den hohen Herren zu verhalten hat, wie man die Krüge hält, wie man die Speisen richtig schneidet?«
    Oda stemmte ihre feisten Arme in die Hüften und fuhr nörgelndfort, als niemand ihr antwortete: »Poupa und Taligia haben mir stets geholfen, und jetzt sind beide hinüber. Ich frage mich immer noch, was sie in jener Kammer zu suchen hatten. Ach, wie dringend ich sie bräuchte! Die Zahl der Gäste... viel größer ist sie als ansonsten. Und der Saal hier in Paris – habt ihr ihn je durchmessen?«
    Die Sklavinnen glotzten träge und ungerührt. Oda schnaubte.
    »Nun gut«, murrte sie schließlich und ließ die Blicke wieder über die Frauen kreisen. »So lasst uns nachsinnen, wer Poupa und Taligia ersetzen könnte. ... Bathildis, du! Kommst du nicht aus edler Familie? Bist du nicht mit den Tischgebräuchen vertraut?«
    Bathildis blickte langsam hoch. Auf jene Auszeichnung hätte sie gerne verzichten mögen.
    »In meiner Heimat«, sagte sie spröde. »Hier nicht.«
    »Ach was, du stellst dich gewiss besser an als der Rest dieser tumben Schafsköpfe!«
    »Leutsinda wird mich niemals im Saal dulden!«
    Oda knurrte. »Da hast du recht...«, sprach sie nachdenklich. »Aber es wird doch eine Möglichkeit geben, sie zu überlisten, oder nicht?«
    Bathildis zuckte mit

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