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Die Regentin (German Edition)

Die Regentin (German Edition)

Titel: Die Regentin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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der andere damit prahlt, nur gutes fränkisches Blut in sich zu haben.
    Als sie am nächsten Abend den Saal betrat, war sie immer noch bedrückt.
    Die Aufregung der anderen steckte sie nicht an, weder jene der Gäste noch jene der Mägde, noch jene der jungen Burschen, die vor dem Saal warteten, um jedem Ankömmling die Schuhe auszuziehen, ehe der sich auf ein Sofa neben der Tafel legen konnte. Die Tischsitten glichen jenen der Römer: Man aß liegend, mit einem Löffel aus Holz und einem Messer aus Eisen, das mit hölzernem Griff ausgestattet war.
    Wie alle anderen Frauen suchte Bathildis möglichst lautlos zu gehen, vor allem in jenem Augenblick, da einer der anwesenden Bischöfe den Segen sprach.
    Hernach mussten die Becher schnell gefüllt werden – die meisten waren aus Bronze, nur die wenigsten aus Glas, und mit dem ersten Schluck brandete Stimmengewirr auf, das es leichter machte, sich unauffällig im Saal zu bewegen.
    Bathildis huschte gedankenlos durch den Raum. Wenig nahm sie von dem Fest wahr, das gewiss bis in die Morgenstunden dauern und an den beiden folgenden Abenden seinen Fortgangfinden würde. Kaum achtete sie auf die Vergnügungen, die dargeboten wurden – weder auf den Sänger, joculator genannt, welcher, von der Flöte und der Lyra begleitet, zunächst über Chlothar, den König der Franken, und dessen Kämpfe im Land der Sachsen sang, um dann Verse des Firmin von Arles, Félix von Nantes oder des beliebten Victorius vorzutragen. Kaum hatte er einen der Gesänge – welche winileude hießen – geendigt, so rief ihm der eine oder andere Gast zu, was er sich als Nächstes wünschte, und der joculator folgte gerne und stieß auf begeistertes Gejohle, als er schließlich die Geschichte von einer schönen Prinzessin vortrug, welche vom eifersüchtigen Vater in einer Höhle unter dem See eingeschlossen war. Nur des Nachts, wenn der Mond schien, durfte sie diese verlassen und in den nächtlichen Fluten baden – alsbald heimlich von einem Prinzen beobachtet, der von dem Mädchen so verzückt war, dass er in heftiger Liebe entbrannte und sich zu ihrer Entführung entschloss. Wiewohl die Prinzessin zögerte, ihm zu folgen, so ward ihr doch von einer Zofe geraten, dass dies das für sie bestimmte Geschick sei – denn der Mann, den sie für ihren Vater hielt, wäre in Wahrheit nur ein Oheim, der ihre Eltern ermordet habe, um sich an ihrem Erbe gütlich zu tun.
    Die Geschichte nahm ein gutes Ende, doch hernach wollten die Gäste keine weitere hören, sondern lieber tanzen. Indessen die Flöten und die Lyra weiterspielten, erhob man sich zur beliebten coraula.
    Schwer war es nun für Bathildis, zwischen den Leibern durchzukommen, die sich im Rhythmus des Taktes bewegten, Figuren folgend, die sie nicht kannte und auch nicht ergründen wollte – immer noch einzig darauf bedacht, jenen Gästen, die noch nicht satt waren, weitere Speisen zu servieren, die mit einer Gabel aus zwei oder drei Zinken in eine Schüssel aus Holz zu legen waren, aus der dann mehrere Gäste aßen. Die Gesichter, die sich darüberbeugten, deuchten sie allesamt die gleichen. Waren es Männer oder Frauen? Waren vertraute dabei – jenes von Leutsindaoder Erchinoald oder das von Itta, die, wie es hieß, in der Nähe des Königs lag?
    Sie blickte nicht hoch, um es festzustellen. Sie wusste nicht einmal, um welchen der niedrigen Tische herum sich der König mit seinen engsten Vertrauten aufhielt.
    War es jener, den ein weißes Tischtuch mit eingewebtem Federmuster schmückte?
    Um ein wenig von dem Nebel zu lichten, in dem ihr Kopf festzustecken schien, atmete sie zweimal tief ein – heiße, stickige, nach Fett riechende Luft – und war trotz ihrer düsteren Stimmung dann doch zu neugierig, um an den Worten, die ihr Ohr erreichten, gänzlich vorbeizuhören.
    Schwer war es anfangs, aus dem Stimmengewirr ganze Sätze herauszuschälen. Doch mit fortschreitender Stunde ging sie dazu über, stets dem eben Sprechenden neu einzugießen, um solcherart besser zu verstehen, was er sagte.
    Es gab der Themen viele. An einem Tisch war von der langjährigen Fehde die Rede, die zwischen dem Haus des Felix Marcus, der sich eines Vorfahren rühmen konnte, welcher Mitglied des römischen Senats gewesen war, und einem Grafen aus dem Tal der Somme herrschte, welcher wiederum prahlte, ein Nachkomme der großen Ursina zu sein. Eine Tochter war mit dem Sohn des anderen Hauses vermählt worden, hatte jedoch wenige Jahre nach der Hochzeit beschlossen, ihr Leben

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