Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Regentin (German Edition)

Die Regentin (German Edition)

Titel: Die Regentin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
Vom Netzwerk:
Sie verbünden sich mit den Stimmen meiner Freunde und Berater, meines Major Domus und der Großen im Land. Aber niemals treffen sie eine Entscheidung. Niemals. Meine Mutter hat die Entscheidungen getroffen.«
    Er sprach mit vollem Mund, manchmal den Kopf schief legend, als hörte er just in dieser Stunde die Stimmen, von denen er sprach.
    »Dann war sie gewiss eine sehr weise Frau«, entgegnete sie hilflos.
    »Sie war eine Sklavin wie du.« Nachdenklich starrte er auf die Schüsseln, als könnte er sich kurz nicht darauf festlegen, aus welcher er nehmen sollte. »Sie gehörte zum Gesinde meines Vaters«, fuhr er stattdessen fort, »er war noch mit seiner ersten Frau verheiratet... aber jene bekam keine Kinder. Und dann erregte meine Mutter seine Aufmerksamkeit. Weißt du, wie sie es tat?«
    Endlich hob er seinen Blick, herausfordernd nun, wie ein kleines Kind, das ein Spiel erwartet.
    »Sagt es mir, mein König!«, entgegnete Bathildis.
    Er lächelte sehnsüchtig. »Meine Mutter war eine schöne Frau... ihr Haar hatte beinahe die Farbe wie... deines. Es hieß, sie habe keine Angst vor meinem Vater gehabt. Sie sprach auch nicht den derben Dialekt der einfachen Menschen. Später, als sie Königin war, hat sie sogar das Lateinische beherrscht... so wie du.«
    Verträumt hielt er inne.
    Traurigkeit überkam Bathildis, erstickend und drückend, ohne Ankündigung und auch ohne Erklärung, welchem Umstand sie galt: Weil sie über ihren Vater gesprochen hatte und beinahe über... Aidan. Oder weil der König, der mächtigste Mann von Neustrien, in allem was er tat, ob redend oder essend oder lächelnd, erbarmungswürdig wirkte. Es reifte der Wunsch in ihr, noch näher zu ihm hinzutreten, ihm die Hand auf die Schulter zu legen, vielleicht sogar ihn zu umarmen, auf dass sie gemeinsam das eigene Geschick beweinen und Trost aneinander finden könnten.
    Gerade noch hielt sie sich von solch ungehörigem Benehmen zurück – doch zu dem Preis, dass der jähe Kummer sich anders entlud und ihre Augen nässten. Chlodwig sah ihre Tränen früher, als sie sie über die Wangen rollen fühlte.
    »Nicht, nicht!«, rief er aus, und sein hoffnungsfrohes Lächeln schwand ihm. »Du bist doch ein mutiges Mädchen!«
    Sie fühlte sich gelähmt, konnte nicht die Hand heben und sich die nassen Backen abwischen.
    Hieda sprang er auf, so stürmisch, dass das Tischlein kippte und sämtliche Platten und Schüsseln mit lautem Krachen und Splittern zu Boden gingen, alsbald vom blutroten Wein bedeckt, der aus dem gleichfalls gekippten Kelch floss.
    Der König bückte sich händeringend, bereit, die Spuren seiner Ungeschicklichkeit wegzuräumen, doch nicht gewiss, wie erdas mit bloßen Händen anstellen sollte. Gleichzeitig mit ihm war Bathildis auf die Knie gegangen. Wie er griff sie nach der einzigen Schüssel, die heil geblieben war – und berührte ungewollt seine Hand. Ihre erste Regung war zurückzuzucken. Doch da er es nicht tat, so griff sie beherzter zu, legte ihre Finger um die seinen und hielt sie fest.
    Er seufzte beseelt und schien sich nicht daran zu stören, dass ihre Hand schwielig und rau war, genauso wie sie nicht bemerkte, dass sich seine schwitzig feucht und vom Essen schmierig anfühlte.
    An diesem Abend sprachen sie kein Wort mehr zueinander. Eine Weile hockten sie kniend und sich an den Händen haltend; erst später erhob sich Bathildis, um nach Mägden zu rufen, die den Unrat beseitigen sollten. Dass Chlodwig sich zwischenzeitig abwandte und ihr den Rücken zudrehte, deuchte sie als Zeichen, dass sie entlassen war – wozu und wohin auch immer. Zögernd verharrte sie hernach im Gang vor seinem Gemach, wollte warten, ob er nicht doch nach ihr riefe.
    Doch während sie da stand, legte sich plötzlich ein fester Griff um ihre Schultern und – noch ehe sie erschreckt aufschreien konnte – eine Hand über ihre Lippen. Sie konnte nicht erkennen, wer sich ihr da heimtückisch genähert hatte und sie zurückriss, aber sie sah nur allzu deutlich den silbernen Dolch, der über ihr aufblitzte und auf ihre Kehle zielte.
    Einen Augenblick wähnte sie alle Glieder so erstarrt, dass sie den Angriff, der offenbar auf ihr Leben abzielte, tatenlos zu ertragen glaubte, ähnlich wie einen Alptraum, den man durchlebt, aber nicht lenken kann.
    Doch just als der scharfe Dolch herunterfuhr, kehrten ihre Lebensgeister zurück, und ehe die fremde Hand auf sie einstechen konnte, hatte sich Bathildis schon auf den Boden geworfen und den Angreifer mit sich

Weitere Kostenlose Bücher