Die Regentin (German Edition)
anstatt dagegen anzukämpfen und solcherart... Unruhe zu stiften.«
Ein merkwürdiger Laut entfuhr Ittas Mund – kein verständliches Wort, sondern Ausdruck tiefster Verbitterung. Dann drehte sie sich unwirsch um und lief davon.
Ein wenig ratlos sah Bathildis ihr nach. Unbehaglich hatte sie dem Wortgefecht der beiden zugehört, sich ihren Ellbogen gerieben, den sie sich vorhin am harten Boden angeschlagen hatte – und wünschte nun nichts sehnlicher, als es Itta gleichzutun und zu fliehen.
Doch als sie den ersten zögernden Schritt in deren Richtung setzte, verstellte ihr schon der rotäugige Mann den Weg.
»Bleib!«, befahl Ebroin. »Jetzt sprechen wir!«
Er führte sie vom Gemach des Königs fort, nur wenige Schritte zwar, jedoch in eine versteckte Nische des Ganges, wo man sie nicht hören konnte und wohin auch nur spärliches Licht der Fackeln fiel. Erst dort ließ er sie los, trat einen Schritt von ihr zurück und musterte sie von oben bis unten, spröde lächelnd, was wohl bekundete, dass er mit ihrem Anblick zufrieden war.
Bathildis erschauderte unter den roten Augen, die glühend aus dem kalkweißen Gesicht hervorstarrten.
»Ihr... Ihr hättet nicht eingreifen müssen«, stotterte sie verlegen. »Ich... ich wäre mit ihr schon fertig geworden.«
»Daran habe ich keinen Zweifel. Aber es war mir ein Vergnügen, Erchinoalds Tochter in die Schranken zu weisen. Ich denke nicht, dass sie es nochmals wagen wird...«
Seine Worte brachen ab, doch seine Augen glitzerten vielsagend.
»Worüber wollt Ihr mit mir reden?«, fragte sie unbehaglich.
Ebroin lachte schrill und unnatürlich, wie es ihm zu eigen war.
»Du klingst, als hättest du Angst vor mir – ist es so?«, fragte er spöttisch.
Sie brachte keinen Ton hervor. Des Königs merkwürdiges Gebaren hatte zu sehr an ihrem Geist gezerrt, als dass sie nun auch seines ertragen konnte, ohne zu beben und nach Luft zu ringen.
»Das brauchst du nicht«, fuhr er fort, und der Spott schwand aus seinem Gesicht. »Ich weiß, ich weiß... manch einer denkt bei meinem Anblick, er stünde einer Kreatur der Hölle gegenüber, weil meine Augen eine andere Farbe haben als die der anderen Geschöpfe Gottes. Aber in Wahrheit habe ich ganz gewöhnliche Eltern. Zu gewöhnliche. Die meisten stören sich an meiner niederen Herkunft noch mehr als an meinen Augen und meinem Gesicht.«
Die Worte tröpfelten in ihr Gehirn und sammelten sich zu einer Pfütze, grau und undurchschaubar.
Ebroin. Der engste Freund des Königs. Aber niederer Herkunft.
Als könnte er ihre Gedanken lesen, fuhr er fort: »Nur König Chlodwig stört sich nicht daran. Ich bin der Sohn seiner Amme – und seit dem Augenblick sein Freund, da wir uns ihre Brüste teilten... Aber das weißt du ja gewiss – dass der König nicht vielauf Herkunft und Sippe gibt, dass man es auch als Niemand schaffen kann, ihn für sich einzunehmen. Kluges, kluges Mädchen! Seine Gewohnheiten gründlich zu erforschen... den rechten Augenblick abzuwarten... den Vergleich mit der geliebten Mutter Nanthild nicht zu scheuen... Hast es ganz richtig gemacht.«
Er sprach so stolz, als hätte sie nicht nur nach genauem Plan gehandelt, sondern als hätte er selbst jenen entworfen.
»Was meint Ihr?«, fragte sie.
Ebroin zögerte seine Antwort hinaus. Er umrundete sie mit tänzelnden Schritten. Erst jetzt fiel ihr auf, wie überaus dürr er war. Auch Chlodwig hatte schmale Schultern, doch wo sich bei ihm ein fetter Bauch wölbte, hatte Ebroin eine Taille wie ein Weib und Beine, so leichtgliedrig wie eine Spinne.
Jäh hob er seine Hände, sodass sie rechnete, er würde sie damit packen wollen. Doch er hielt sie ihr nur vors Gesicht.
»Sieh dir meine Hände an!«, forderte er.
Sie wich zurück. Feingliedrig und lang waren sie wie die übrigen Glieder, nicht weiß wie sein Gesicht, sondern rot verfärbt, als hätte er sie zu lange im kalten Wasser gewaschen. Vor allem waren sie sauber.
»Und jetzt«, setzte er hinzu, »und jetzt blicke auf deine!«
Sie war zu müde, seine Bitte zu hinterfragen. Langsam hob sie die Arme ins schwache Licht, sauberer als sonst, aber fetttriefend, wo Chlodwig sie gehalten hatte, und an den Fingerkuppen sogar ein wenig schwarz von den verkohlten Stücken des Bratens, den der König zu Boden geworfen hatte.
»Siehst du!«, rief er triumphierend. »Deine Hände sind schmutzig – meine nicht. Wenn du willst, kannst du es schaffen, so sauber wie ich zu werden. Auch wenn hier niemand etwas von mir hält
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