Die reinen Herzens sind
in der Sauna und verfluchte seine helle, empfindliche Haut. Sein Hemd war schweißgetränkt, die Füße in den Stiefeln waren geschwollen. Er hätte viel für ein T-Shirt und Sandalen gegeben.
Die Zufahrtsstraße zum Eingang des Canyons lag auf der anderen Seite der Schlucht, ein vielfach gewundenes, ziegelrotes Band, das man in den Hang gefräst hatte. Um dorthin zu gelangen, mußte er einen strammen Fußmarsch bergauf und bergab hinlegen. Allein der Gedanke an die Anstrengung war entmutigend.
Durch das Knattern des Funkgeräts hörte er seinen Namen, griff durch das offene Wagenfenster und nahm das Mikrophon. Marge meldete sich.
»Was ist bei dir los?« fragte sie.
»Ich bin am eigentlichen Tatort noch nicht gewesen. Aber ich habe wohl die Stelle gefunden, wo der Wagen hinuntergestürzt ist oder -gestoßen wurde.« Er erklärte ihr die Einzelheiten. »Kommst du her?«
»Keine Zeit. Die Verabredung mit Mutter Bellson. Du weißt schon.«
»Ja, richtig. Schick mir trotzdem noch einen uniformierten Kollegen. Die Stelle muß bewacht werden, solange ich unten beim Wrack bin.«
»Wird gemacht«, antwortete Marge. »Ich habe sämtliche Telefonbücher durchgesehen … eine Sondra Roberts war nicht zu finden. Krankenhausakten und Agenturen für medizinisches Personal stehen mir noch bevor.«
»Was über die Anonymen Dicken rausgefunden?«
»Ich habe bei einigen regionalen Organisationen Anfragen laufen. Die Mitglieder bleiben natürlich anonym, aber ich schätze, daß wir mit Hilfe rechnen können, wenn das Leben eines Säuglings auf dem Spiel steht. Hollander, Fordebrand und MacPherson prüfen die Hinweise, die nach der Fernsehmeldung von heute morgen eingegangen sind. Die Telefone im Revier stehen nicht still. Ich mußte dich über Funk anrufen.«
»Gut, daß sich die Leute kümmern.«
»Lourdes Rodriguez überlegt, ob sie in den Fünf-Uhr-Nachrichten einen persönlichen Appell an die Entführer richten soll. Was meinst du dazu, Pete?«
»Gute Idee, wenn’s noch was nützt.« Deckers Magen krampfte sich zusammen. »Wir wissen noch immer nicht, ob das Baby im Wagen verbrannt ist. Die Feuerwehr hat den Wagen noch nicht aufbrechen können.«
»Ein Albtraum.«
»Wenn das Baby nicht im Wrack ist, informiere ich Lourdes persönlich. Wir haben beide Marie kennengelernt, vielleicht fällt uns zusammen etwas ein.«
»Halt mich auf dem laufenden.« Marge beendete die Funkverbindung.
Decker hängte das Mikrophon in die Halterung und lehnte sich gegen den Funkwagen. In der Ferne hörte er Motorengeräusche. Er sah erneut auf die Uhr. In den vergangenen vierzig Minuten war kein einziges Fahrzeug vorbeigekommen. Die Chancen, daß es Zeugen für den Unfall gab, waren gering.
Das Motorengeräusch wurde lauter. Einige Sekunden später tauchte ein roter Jeep mit quietschenden Reifen in der Kurve auf. Das Verdeck war geöffnet. Am Steuer saß eine Frau mit kurzem blondem Haar. Decker winkte ihr zu. Der Jeep hielt mitten auf der Fahrbahn an.
Die Frau lächelte. »Na, was macht die Kunst, schöner junger Mann?«
»Kann nicht klagen. Dachte, ich lasse den Funkwagen hier oben, und wir fahren zusammen runter. Ich warte nur noch auf jemand, der für mich das Terrain bewacht. Dürfte nur fünf oder zehn Minuten dauern. Die Fotografen und die Spurensicherung müßten bald hier sein.«
»Was liegt denn an?«
»Ein Wagen ist in die Schlucht gestürzt. Von hier aus, nehme ich an.«
»Kann ich mir das mal ansehen?«
»Natürlich. Fahren Sie den Jeep hinter meinen Plymouth. Aber fallen Sie mir nicht über die Kante.«
»Warum denn nicht, Pete? Wollte schon immer mal Bungee-Jumping machen. Wäre die ideale Stelle.« Sie stellte den Jeep hinter dem Streifenwagen ab, glitt vom Fahrersitz und umarmte Decker herzlich. »Mein Gott, Sie sind ja vollkommen naßgeschwitzt.«
»Hab nur mein Badehandtuch vergessen.« Decker lächelte und hielt sie auf Armeslänge von sich. »Wie geht’s so, Annie? Sie sehen großartig aus.«
Das Kompliment war ehrlich gemeint. Sie hatte ihr Haar kurz geschnitten und etwas blondiert, was zu ihrer hellen Haut und den grünen Augen ausgezeichnet paßte. Dabei wirkte es durchaus natürlich. Sie war nicht der Typ, der sich um jeden Preis jünger machen wollte. Allerdings waren die vergangenen vier Jahre offenbar nicht spurlos an ihr vorübergegangen. Trotzdem wirkte sie glücklicher, selbstbewußter als damals, als sie zuletzt zusammengearbeitet hatten. Sie trug eine dünne, weiße Baumwollbluse und eine
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