Die reinen Herzens sind
Potential hast, bist du nur ein Haufen Fett.«
»Es geht doch nichts über ein gemeines Kompliment, um das Ego aufzumöbeln.« Cindys Blick schweifte zu Tandy. Ihr fiel wieder ein, weshalb sie eigentlich da war. »Würdest du mit mir arbeiten?« fragte sie mit klopfendem Herzen. »Auch wenn’s nur für heute ist. Ich fühle mich bei einer Frau wohler. Ich bin ziemlich schüchtern.«
»Das ist nicht gut«, wehrte Eric ab.
»Eins nach dem anderen, okay, Eric?«
Er lächelte. »Wie du meinst, Fettberg.«
»Halt die Fresse!«
»Ah, das klingt schon besser!« stellte Eric fest. »Du mußt bissig und gemein sein, Cindy. Nur so kommst du zum Erfolg. Bodybuilding ist kein Spiel. Es ist eine Verpflichtung und nichts für Feiglinge.«
»Ich versuch’s nicht zu vergessen, Eric.« Cindy lachte. »Willst du mir helfen, Tandy?«
Tandy sah auf. »Ist mir ein Vergnügen. Ich bin beeindruckt.«
Cindy musterte Tandy aufmerksam. Sie wirkte tatsächlich beeindruckt. Beeindruckt und gemein.
27
Marge warf die Illustrierte auf den Beifahrersitz. Sie war startbereit. Aber Tandy ging nicht zu ihrem Audi. Sie unterhielt sich mit einer Rothaarigen. Die beiden Frauen überquerten die Straße in Richtung Saftbar. Hastig griff Marge nach dem Fernglas und richtete es auf die beiden Frauen. Ihre Hände begannen zu zittern. Entsetzt ließ sie das Fernglas sinken und versuchte ihre Gedanken zu ordnen.
Sie saß in der Zwickmühle. Wenn sie jetzt nicht eingriff, würde Pete sie und Cindy in der Luft zerreißen. Griff sie ein, flog ihre Tarnung auf, und Tandy war gewarnt. Es ging immerhin um Mord und Entführung. Also mußte Marge Tandy vorsichtshalber als gefährlich einstufen. Wie konnte Marge dann mit gutem Gewissen zusehen, wie Cindy sich an diese Frau heranmachte?
Natürlich gab es noch keine Beweise, die auf Tandys Beteiligung an dem Fall hinwiesen. Und trotzdem: Tandy Roberts war Marge nicht geheuer. Was, wenn Cindys Leben in Gefahr war?
Marge fluchte laut vor sich hin. Deckers Tochter hatte wohl Blut geleckt. Diese Teenager waren ein lästiges Volk. Die Schüchternen gingen sang- und klanglos unter, und die Dreisten hielten sich für unsterblich. Pete war nicht der einzige, der mit Cindy ein Wörtchen zu reden hatte. Marge war auf hundertachtzig.
Inzwischen waren die beiden in der Saftbar verschwunden. Eingreifen oder Warten, das war die Frage. Nach sorgfältiger Überlegung beschloß Marge, Ruhe zu bewahren. Sie hatte den Eingang zur Saftbar und den Audi genau im Blick. Tandy konnte ihr nicht unbemerkt entkommen.
Sollten die beiden Damen sich doch ruhig aussprechen. Später, wenn sie getrennte Wege gingen, würde Marge sich Cindy greifen.
Aber diese Entscheidung war kein Ruhekissen. Was sollte sie tun, wenn Tandy durchdrehte?
Marge sah bereits die Schlagzeilen vor sich:
MASSENMORD IN DER SAFTBAR – MENSCHEN STERBEN – POLIZISTIN SIEHT TATENLOS ZU. Untertitel: Opfer ist Tochter eines Kollegen der Polizistin.
Marge zwang sich zur Vernunft. Horrorszenarien brachten sie nicht weiter. Minuten verstrichen wie Stunden. Marges Anspannung wuchs mit ihrer Wut auf Cindy.
Darlene Jamison wohnte im Parterre eines zweistöckigen alten Stadthauses. Jede Wohnung hatte einen eigenen Eingang. Die Tür zu Darlenes Apartment lag linkerhand. Decker klopfte und wartete. Die kleine, zierliche Frau öffnete schließlich in einem algengrünen Zeltkleid, dessen Farbe dem Swimmingpool der Anlage ähnelte. Sie hatte das Haar im Nacken zusammengebunden. Ihr rundes Gesicht war fleckig, die Augen geschwollen.
»Ich bin gerade am Telefon«, empfing sie Decker. »Setzen Sie sich. Dauert nur noch ne Minute.«
Damit verschwand die Säuglingsschwester hinter einer geschlossenen Tür, und Decker schlenderte durch das schlicht eingerichtete Wohnzimmer mit dem großen Fernsehapparat.
Der Raum ging in einen Eßplatz über. Rechts davon befand sich die Küche. Mehr konnte Decker nicht erkunden, denn Darlene hatte ihr Telefongespräch beendet.
Sie setzte sich auf das Sofa. »Bitte, nehmen Sie Platz.«
»Danke.« Decker setzte sich ans andere Ende der Couch und zückte seinen Notizblock. »Ich habe gerade mit Lily Bookers Mutter gesprochen«, begann er. »Meine Stimmung ist auf dem Nullpunkt. Ich schlage vor, wir machen es kurz und bündig.«
»Lilys Mutter?« fragte Darlene hoffnungsvoll. »Dann ist Lily bei ihrer Mutter?«
»Nein, ist sie nicht. Es sieht fast so aus, als sei die verkohlte Leiche aus Maries ausgebranntem Honda das, was von
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