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Die Reise-Bibel

Titel: Die Reise-Bibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Braun
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darauf, dass es weitergeht, macht aber keine Anstalten,
     die gewünschte Entwicklung in irgendeiner Weise zu beeinflussen.
    »Ich geh dann mal los.«
    »Ich warte mit Familie!«
    Jirzy beugt sich nach vorn und stellt die Taxi-Uhr wieder an.
    »Was soll das denn?«, fragt Helga.
    »Wartezeit kostet. Leider.«
    Jirzy zuckt mit den Schultern.
    »Zeit ist Geld!«
    Jirzy und Helga sind überrascht, dass Heiner überhaupt noch – oder wieder – wach ist. Dann geht Helga los. Vorher zeigt sie
     mit einigen routinierten Gesten ihren Kindern an, dass sie bleiben sollen, wo sie sind, und dass sie selbst sich nur ganz
     kurz von der Truppe entfernt. Das wird ohne erkennbare Regung registriert. Im Auto tickt die Taxiuhr alle 30   Sekunden vernehmlich. Für einige Minuten bleibt es das |66| einzige Geräusch im Umkreis von Jirzys Japaner. Schließlich kehrt Helga zurück. Obwohl es an diesem Morgen – inzwischen 5.45
     – noch frisch ist und ein ziemlicher Wind weht, perlt Schweiß auf ihrer Stirn, ihre Wangen sind überzogen von roten, glänzenden
     Flecken.
    »Der Geldautomat war kaputt! Momentan außer Betrieb. Postbank! Wir müssen   … gibt’s hier denn keinen anderen Automaten? Oder eine Bank?«
    »Bank. Gibt Bank in Terminal 2.«
    Jirzy deutet stoisch wieder nach hinten, eine bereits bekannte Geste.
    »Das glaub ich alles nicht!«, flüstert Helga.
    »Macht aber erst um sechs Uhr auf!«, ergänzt Jirzy.
    Auf der Taxiuhr sind bereits 29   Euro 60 aufgelaufen. Heiner ist wieder eingeschlafen und schnarcht leise.
    »Wie spät?«
    »Acht vor sechs!«
    Wortlos schnappt Helga nach ihrer Tasche und setzt sich ein zweites Mal in Bewegung. Kevin Miami schaut ihr fragend nach,
     das erste Anzeichen organischen Lebens seit mehr als einer halben Stunde.
    Jirzy dreht das Radio einen Tick lauter. Nachrichten um sechs. Kriege, Fußballergebnisse, das Wetter. Noch eine Stunde, maximal
     zwei, dann beendet er seine Schicht für heute.
    Zehn Minuten später ist Helga wieder zurück. Jirzy stoppt den Taxameter bei 36,40   Euro.
    »39,40«, sagt er.
    Helga deutet wortlos auf den Taxameter.
    »Gepäck!«, sagt Jirzy.
    Helga reicht ihm 50   Euro, lässt sich 10,60   Euro zurückgeben.
    »Quittung?«
    Sie reagiert nicht. Stattdessen:
    »Heiner! RAUS JETZT!«
    |67| Heiner rappelt sich mühevoll auf. Er trägt keine Tasche, keinen Beutel, nichts. Offenbar ein Mann ohne Bedürfnisse. Jedenfalls
     ohne Handgepäck. Jirzy lädt die Koffer der Kleinfamilie aus. Zwei große Koffer, zwei Sporttaschen. Jirzy steht unschlüssig
     vor der geöffneten Heckklappe.
    »Schön’ Urlaub!«, sagt er, es klingt aber gar nicht so. Keiner der Glowaczkis fühlt sich angesprochen. Helga liest in losen
     Blättern. Nach einigen Sekunden wird sie fündig:
    »Hier steht’s. Condor. Abflug zehn nach sieben. Wir müssen zum Schalter von Condor!«
    Hilfesuchend blickt sie Jirzy an.
    »Condor?«
    Jirzy nickt. Zeigt dann nach hinten:
    »Condor, Terminal 2.«
    300   Meter entfernt, immer noch.
    Helga schaut ihn entgeistert an. Die roten Flecken auf ihrem Gesicht breiten sich aus.
    »Willst du mich verarschen? Das glaub ich jetzt nicht! Sag mal, bist du doof oder was   …«
    Sie verstummt. Jirzy zuckt mit den Schultern.
    »Sie haben gesagt, Lufthansa. Lufthansa hier. Terminal 1.«
    Er zeigt in das Terminal hinein, das sich in den letzten Minuten gefüllt hat.
    »ICH habe ganz bestimmt nichts von Lufthansa gesagt, und die da« – sie zeigt auf ihre Familie – »halten Lufthansa vermutlich
     für eine Staubsaugermarke, also erzähl mir nichts!« Sie duzt Jirzy inzwischen ausdauernd, zunehmend lauter, kein gutes Zeichen.
     Jirzy schaut Helga hingegen bedauernd an, während er fortwährend mit den Schultern zuckt. Mit Deeskalation kennt er sich aus.
    »Und jetzt? Ich renn doch nicht mit dem ganzen Geraffel durch den Flughafen, das geht doch nicht, viel zu schwer, da hätten
     wir ja gleich mit dem Bus fahren können! Kommt |68| nicht infrage! Du fährst uns!« Sie zeigt auf Jirzy. Der nickt dienstfertig.
    »Kein Problem. Eine Runde um Gelände von Flughafen. Kann ich nicht zurücksetzen hier, nicht erlaubt. Eine Runde. Geht schnell.«
    Helga packt Kevin Miami an der Schulter und reißt Natascha Brioche in einer eleganten Bewegung den Kopfhörer von den Ohren.
     Rammstein hämmern krächzend aus den Lautsprechern.
    »Alle wieder rein, falsches Terminal!«
    »Was?«, brüllt Kevin Miami, steigt aber bereitwillig ein. Keine Antwort. Auch Heiner hat sich murrend

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