Die Reise des Elefanten - Die Reise des Elefanten - A viagem do elefante
Beziehungen und auch zu einiger Verwirrung im persönlichen Umgang. So wäre es beispielsweise nach gesundem Ermessen nicht ratsam gewesen, an den Steigbügel des Kommandanten zu treten und ihn zu fragen, Sagen Sie, Herr Kommandant, haben Sie Sehnsucht nach Ihrer Frau und Ihren Kindern. Der Angesprochene, der, wie an einigen Stellen dieser Erzählung bereits deutlich gemacht, durchaus über Feinsinn und Sensibilität verfügt, wäre, ganz gleich, wie diskret wir vorgingen, um sein Schamgefühl nicht zu verletzen, doch ziemlich überrascht gewesen über diese offensichtliche Taktlosigkeit und hätte uns bestimmt nur eine vage, nichtssagende Antwort erteilt, die bei uns nicht mehr als eine ernsthafte Besorgnis über das Intimleben des Ehepaars ausgelöst hätte. Gewiss ist, dass der Kommandant niemals eine Serenade gesungen und, soweit bekannt, niemals auch nur ein einziges Sonett geschrieben hat, doch das heißt nicht, dass die Natur ihn nicht dazu befähigt hätte, die schönen Dinge wertzuschätzen, die der Geist seiner Artgenossen hervorbrachte. Eines davon hätte er beispielsweise, eingehüllt in Tücher, in seinem Rucksack mitführen können, wie bereits bei anderen mehr oder weniger kriegerischen Einsätzen geschehen, aber diesmal hatte er es lieber im sicheren Heim gelassen. Angesichts des kärglichen, oftmals erst mit Verspätung gezahlten Soldes, welcher von der Schatzmeisterei logischerweise nicht für Luxusgegenstände berechnet worden war, hatte der Kommandant, als er sich vor gut zehn Jahren etwas gönnen wollte, ein aufwendiges, fein gearbeitetes Wehrgehänge verkaufen müssen, ein militärisches Prachtstück, einst im Besitz seines Großvaters mütterlicherseits und seitdem Objekt der Begierde für jeden, der es zu Gesicht bekam, mit dem er ohnehin eher in den Salons als auf dem Schlachtfeld geglänzt hatte. An seiner statt befindet sich nun, wenngleich anderen Zwecken dienend, ein dicker Band mit dem Titel Amadis de Gaula, ein Werk, das, wie einige eher patriotisch gesinnte Wissenschaftler schwören, einem gewissen Vasco de Lobeira zuzuschreiben sei, Portugiese des vierzehnten Jahrhunderts, dessen Werk im Jahre fünfzehnhundertacht von Garci Rodríguez de Montalvo, der ihm ein paar weitere Kapitel mit Liebesabenteuern hinzufügte und die alten Texte ergänzte und korrigierte, in kastilischer Übersetzung in Zaragoza veröffentlicht wurde.Der Kommandant hegt die Vermutung, dass sein Exemplar unlauterer Herkunft, also eine Ausgabe ist, die man heute als Raubkopie bezeichnen würde, was wiederum zeigt, welch lange Tradition bestimmte illegale Praktiken schon haben. Der an anderer Stelle bereits erwähnte Salomon, gemeint ist hier der König von Juda, nicht der Elefant, hatte recht, als er schrieb, es gäbe nichts Neues unter der Sonne. Es ist kaum zu glauben, dass in dieser biblischen Zeit alles schon so beschaffen gewesen sein soll wie später, wo wir sie uns doch mit hartnäckiger Unschuld als lyrisch, bukolisch und ländlich vorstellen, weil sie den ersten Anfängen unserer westlichen Zivilisation glich.
Der Kommandant hat seinen Amadis bestimmt schon vier- oder fünfmal gelesen. Wie in jedem anderen Ritterroman mangelt es darin nicht an blutigen Schlachten, amputierten Armen und Beinen sowie durchtrennten Körpern, was einiges aussagt über die Brutalität dieser geistlichen Ritter, zumal damals die Schneidequalitäten der Vanadium- oder Molybdän-Legierungen, die man heute oftmals schon beim einfachsten Küchenmesser findet, noch nicht bekannt und auch nicht vorstellbar waren, was wiederum zeigt, welch große Fortschritte in die richtige Richtung wir gemacht haben. Das Buch erzählt ausführlich und genussvoll die herzzerreißende Liebesgeschichte von Amadis de Gaula und Oriana, beide Königskinder, was Amadis’ Mutter jedoch nicht daran hinderte, ihn auszusetzen und ans Meer bringen zu lassen, wo er in einer Holzkiste, mit einem Spaten neben sich, der Gunst der Meeresströmungen und der Gewalt der Wellen überlassen wurde. Die arme Oriana hingegen wurde von ihrem Vater gegen ihren Willen dem römischen Kaiser versprochen, während all ihr Begehren, all ihre Träume auf Amadis gerichtet waren, den sie seit ihrem siebten Lebensjahr liebte, damals war der Knabe zwölf, wenngleich sein Körper eher der eines Fünfzehnjährigen war. Dass sie sich sahen und liebten, verdankten sie einem Augenblick der Verzückung, der ein Leben lang andauern sollte. Es war die Zeit, in der die fahrenden Ritter
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