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Die Reise in die Dunkelheit

Die Reise in die Dunkelheit

Titel: Die Reise in die Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Djakow
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Kraft rappelte er sich hoch. Direkt vor seinem Gesicht erschienen Auroras verweinte, sorgenvolle Augen.
    »Dein ganzer Kopf ist voll Blut! Sag doch was! Was ist mit dir?«
    Das gute Zureden seiner Weggefährtin half. Der Schleier der Benommenheit lichtete sich, und das Bild vor Augen wurde wieder scharf. Der Dealer lag stöhnend an der Wand.
    Die Kinder sammelten die Waffen und Patronen ein und trotteten zurück zur Station. Fünfzig Meter vor dem Kontrollposten stießen sie auf einen reglos am Boden liegenden Mann. Es war der Ziegenbart von vorhin. Mit verdrehten Augen durchlebte er seinen Trip. Die arme Sau hatte es nicht mal bis zur Station geschafft und schon im Tunnel etwas eingeworfen. Sehr unvorsichtig von ihm, denn ganz in der Nähe hockte eine Horde fetter Ratten, die ihr bevorstehendes Mittagsmahl mit gierigen Knopfaugen beobachteten.
    Die Kinder gingen vorbei. Die hinter Kabeln verborgenen Nager hatten sie nicht bemerkt. Vielleicht war es besser so. Jedenfalls für die Ratten . A n das delikate Fleisch eines leichtsinnigen Zweibeiners kamen sie nicht alle Tage heran. Jedem das Seine …
    »Den ›Wal‹ nehme ich. Ein anständiges Gewehr – und in gutem Zustand. Die olle Büchse da kannst du behalten.«
    Der Händler mit der Narbe sah seinen jugendlichen Kunden schief an. Gleb nahm die Eigenbauflinte vom Ladentisch und schaute sich nach Aurora um.
    Nach dem gefährlichen Zwischenfall hatten die Kinder sich vorgenommen, doppelt vorsichtig zu sein. Vor allem galt es, keine unnötige Aufmerksamkeit zu erregen. Dazu trugen auch einige kleinere Korrekturen an Auroras Äußerem bei. Ihr Haar hatte sie unter einer tief herabgezogenen Mütze versteckt und ihr Gesicht mit ein bisschen Ruß »aufgehübscht«. Wie ein reizendes Mädel sah sie nun nicht mehr aus. Eher wie ein schmächtiger Junge.
    »Also, was willst du für das Gewehr und die Patronen?«, fragte der Krämer, während er seine wertvolle Neuerwerbung in einer Kiste verstaute.
    »Gasmasken, ABC -Schutzanzüge, ein Dosimeter … und ein gutes Messer könnte ich …«
    »Immer schön bescheiden bleiben, Junge. Für einen einzigen ›Wal‹ ist das ein bisschen viel.« Der Händler stand von seinem Hocker auf und kramte etwas unter dem Ladentisch hervor. »Da hast du deine Schnüffeltüten.«
    Auf der Auslage landeten zwei GP-5 und zwei zusammengerollte Gummioveralls.
    »Die ABC -Anzüge sind schon ein bisschen alt und löchrig . A ber wenn man sie flickt, tun sie es noch. Schau nicht so! Mehr kriegst du nicht!«
    Gleb beließ es dabei. Sie konnten von Glück sagen, dass sie überhaupt eine einigermaßen brauchbare Ausrüstung aufgetrieben hatten. Mit ihren Einkäufen unter dem Arm verschwanden die Kinder in der Menge.
    Die zwei kurzen Zöpfchen, die unter der Gummimaske hervorlugten, sahen komisch aus, aber so störten die Haare wenigstens nicht. Der Junge musterte seine Begleiterin von Kopf bis Fuß und nickte zufrieden.
    »Hast du dir alles eingeprägt?«, fragte er mit dumpfer Gasmaskenstimme. »Das Wichtigste ist, dass du nichts auf eigene Faust tust. Kein Schritt ohne mein ausdrückliches Kommando.«
    Aurora reckte den Daumen nach oben. Sie hielt sich tapfer, obwohl ihr angst und bange war. Selbst durch die Gasmaske hindurch war das nicht zu übersehen. Doch auch Gleb fühlte sich ein bisschen mulmig in der engen Kammer. Sie befanden sich in einer Schleuse, durch die man unter Umgehung des hermetischen Tors der Station zu den Rolltreppen gelangte. Von den Gefahren der Außenwelt trennte sie nur noch eine rote Eisentür mit abblätterndem Lack.
    Erstaunlicherweise hatten die geschäftstüchtigen Moskowiter für den Durchgang nach draußen keine Gebühr verlangt. Dahinter steckte gewiss der Händler, der ein gutes Wort für seine Kunden eingelegt hatte.
    Ein kleiner, kräftiger Mann, der eine Kalaschnikow umhängen hatte, drehte routiniert am Handrad des Schließmechanismus. Quietschend öffnete sich die hermetische Tür. Die Kinder stiegen über die hohe Schwelle und gelangten in einen kurzen Korridor, der in den Technikraum unterhalb der Rolltreppen führte. Es dauerte nicht lange, bis sie im Licht der Lampen eine Leiter fanden. Der Junge kletterte als Erster die Sprossen hinauf, klappte den Lukendeckel auf und sah sich vorsichtig um.
    In die dicke Dreckschicht am Fuße der Rolltreppen waren zahlreiche Stiefelabdrücke eingeprägt. Viele Stalker benützten diesen Weg für ihre Expeditionen in die Stadt. Dass die altersschwachen Rolltreppenstufen das

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