Die Reise ins Licht
Ein fürchterlicher Faustschlag riss ein enormes Stück Putz aus der Wand. Das Handgemenge dieser beiden Meister des Nahkampfs war erbittert und kurz. Mit einer unmerklichen Bewegung packte Taran den Arm seines Gegners und schleuderte ihn mit gewaltiger Kraft durch den Raum. Kondor schlug ächzend auf den Boden. Ein schwerer Stiefel presste seinen Kopf auf den rauen Beton, sein Arm wurde schmerzhaft nach hinten verdreht. Kondor verstummte, gab sich geschlagen. Benommen blickten die Stalker auf ihren besiegten Kommandeur.
Bruder Ischkari kam erneut aus seiner Ecke. »Aggression ist das Los der Schwachen. Der Schwachen im Geiste. Nur die Demut weist den Weg zur Erlösung, meine Brüder! Demut und Tugend.«
»Halt den Schnabel. Gleb, wir gehen.« Taran ließ seinen Gegner los und ging zur Tür.
»Warte.« Es war die Stimme der jungen Frau. »Kondor hat überreagiert. Nicht wahr, Kondor?«
Kondor verzog den Mund und stand vom Boden auf. Er spuckte Blut aus. Schaute den Stalker finster an. Nickte.
»Wir brechen morgen früh auf.« Taran wollte gerade nach der Türklinke greifen, als er wie vom Blitz getroffen zu Boden stürzte und am ganzen Körper zu zittern begann. Seine Füße schabten über den Beton, die Augen verdrehten sich.
»Was ist los mit ihm?« Kondor wollte sich zu dem Stalker herabbeugen, aber Gleb hatte sich bereits schützend vor den bebenden Körper gestellt. Die Mündung seiner Pistole zielte genau auf die Stirn des Kämpfers.
»Zurück!«, brüllte der Junge mit einer fremden Stimme. »Niemand rührt ihn an!«
Die Stalker sprangen von ihren Plätzen auf und griffen nach ihren Waffen. Ohne sie aus den Augen zu lassen, hockte sich Gleb neben Taran auf den Boden und zog mit der freien Hand eine Spritze heraus. Mit einem dumpfen Zischen drang die Nadel in die Schulter ein.
»Mach keine Dummheiten, Kleiner!« Schaman hob beschwichtigend die Arme.
Der Junge schwenkte seine Kanone nervös von einer Ecke in die andere. »Keiner rührt sich von der Stelle. Und du, Grobian, zwei Schritte zurück. Sofort!«
»Ganz schön wild, der Kleine …« Kondor ging wie befohlen zur Wand.
Gleb fletschte die Zähne wie eine in die Ecke getriebene Ratte. Die Pistole in seiner Hand zitterte gefährlich. Unterdessen bekam Taran einen Hustenanfall und stöhnte auf.
»Scheint ja wieder zu gehen.« Schaman betrachtete neugierig das seltsame Paar. »Unser Wegführer steckt voller Überraschungen.«
Kondor schüttelte niedergeschlagen den Kopf. »Das wird ja immer schöner. Sorg dafür, dass dein fallsüchtiger Partner schnell wieder auf die Beine kommt. Morgen früh brechen wir auf. Mit ihm oder ohne ihn. Aber jetzt gehen erst mal alle schlafen.«
Gleb legte sich den Arm seines Meisters über die Schultern und half ihm, in sein »Zimmer« zu humpeln. Ohne sich auszuziehen, fielen sie auf ihre Liegen. Der Junge betrachtete die feuchten Flecken an der Wand und versuchte, seine aufgescheuchten Gedanken zu beruhigen. Der erbitterte Kampf. Die Neuigkeiten über die Expedition. Ischkaris Worte über das geheimnisvolle Licht gingen ihm einfach nicht aus dem Kopf. Er wünschte sich so sehr, dass sie sich als wahr erwiesen. Gleb versuchte sich vorzustellen, wie er auf dem Deck eines gewaltigen Schiffes stand, das ihn in ein geheimes Land brachte mit sauberen Seen und frischer Luft. Womöglich war dies ebenjener Ort, von dem die Eltern erzählt hatten. Der Junge schloss die Augen und begann zu träumen, als er auf einmal hörte:
»Danke … Gleb.«
Die Worte klangen fast unwirklich, drangen kaum durch die Stille. Rhythmisch tickte Tarans Zeitmesser auf dem Tisch. Das Kondenswasser, das sich an der schiefen Decke gebildet hatte, tropfte auf den feuchten Boden. Im Kopf des Jungen tobte ein Sturm.
»Taran … Wie heißen Sie wirklich?«
Der Junge wartete reglos. Plötzlich wünschte er sich sehr eine Antwort auf seine Frage. Wenn er den Namen des Stalkers kannte, würde er vielleicht nicht mehr diese unerklärliche
Angst vor ihm empfinden und aufhören, ihn zu hassen.
»Was macht das jetzt für einen Unterschied? Mein Name ist in dem alten Leben zurückgeblieben. Ich bin Taran. Schlaf.«
In dem von dicken Staubflusen überdeckten Wetterschacht herrschte furchtbarer Lärm. Ein riesiger Ventilator blies mit letzter Kraft und durchdringendem Knirschen Luft in das Innere der Station. Der ölverschmierte Techniker inspizierte besorgt die flatternde Achse des uralten Getriebes. Das letzte noch funktionierende Gebläse
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