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Die Reise Nach Petuschki

Titel: Die Reise Nach Petuschki Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wenedikt Jerofejew
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von Franz Liszt angestimmt. Als erster ergriff der Schnurrbärtige im Jackett das Wort. Komischerweise wandte er sich ausschließlich an mich:
    »Ich habe bei Iwan Bunin gelesen, daß rothaarige Leute immer rot anlaufen, wenn sie trinken »Ja und, weiter?«
    »Was heißt: und weiter? Wie war es denn bei Kuprin und Maxim Gorkij? Die sind überhaupt nicht mehr zu sich gekommen ...!«
    »Schön. Und weiter?«
    »Was heißt: und weiter? Was waren die letzten Worte Anton Tschechows vor seinem Tod? Erinnern Sie sich? Er sagte, und zwar auf deutsch: ›Ich sterbe‹. Und dann fügte er hinzu: ›Gebt mir Champagner.‹ Und erst dann — erst dann starb er.«
    »So, so.«
    »Und Friedrich Schiller? Der konnte ohne Champagner nicht leben, geschweige denn sterben. Wissen Sie, wie der geschrieben hat? Er stellte seine Füße in eine Wanne mit Eiswasser, goß sich ein Glas Champagner ein und begann zu schreiben. Ein Glas durch die Kehle gejagt — und fertig ist ein Akt der Tragödie. Fünf Gläser — und fertig ist die ganze Tragödie in fünf Akten.«
    »So, so, so ... Und
    Er warf mit seinen Gedanken um sich, wie ein Triumphator mit Münzen, und ich mußte mich beeilen, um sie einen nach dem anderen aufzusammeln.
    Nur zu, dachte ich.
    »Und Nikolaj Gogol...«
    »Was ist mit Nikolaj Gogol?«
    »Wenn der bei den Panajews war, verlangte er immer ein besonderes rosarotes Glas »Um daraus zu trinken?«
    »Klar.«
    »Was hat er denn daraus getrunken?«
    »Das weiß der Teufel...!«
    Was kann man schon aus einem rosaroten Glas trinken? Wodka, was denn sonst!
    Ich und die beiden Mitritschs verfolgten seine Ausführungen mit Interesse. Und er, der Schnurrbärtige, lachte im Vorgefühl seiner neuen Triumphe ...
    »Und der Modest? der Mussorgskij? Mein Gott, der Modest, der Mussorgskij! Wissen Sie, wie der seine unsterbliche Oper ›Chowanschtschina‹ geschrieben hat? Da weiß man nicht, ob man lachen oder weinen soll. Modest Mussorgskij liegt, besoffen vom Vortag, im Straßengraben, da kommt Nikolaj Rimskij-Korsakow vorbei, im Smoking, mit einem Bambusstock in der Hand. Er bleibt stehen, der Nikolaj Rimskij-Korsakow, kitzelt den Modest mit seinem Bambusstock und sagt: ›Steh auf! Geh dich waschen und setz dich hin und schreibe deine göttliche „Chowanschtschina" zu Ende!« Und dann sitzen sie da, die beiden, Nikolaj Rimskij-Korsakow im Sessel, ein Bein über das andere geschlagen, mit dem Zylinder in der ausgestreckten Hand. Undihm gegenüber, zusammengekauert auf der Bank, sitzt Modest Mussorgskij, unrasiert, völlig entkräftet, sitzt und malt schwitzend Noten. Dabei ist ihm überhaupt nicht nach Noten. Durst hat er, der Modest, sonst nichts! Aber Nikolaj Rimskij-Korsakow, mit dem Zylinder in der ausgestreckten Hand, gibt ihm nichts gegen den Durst... Doch kaum schließt Rimskij-Korsakow hinter sich die Tür, schmeißt der Modest seine unsterbliche ›Chowanschtshina‹ hin und nichts wie in den Straßengraben. Zwischendurch steht er auf, löscht den Durst und wieder nichts wie in den Straßengraben. Übrigens, die Sozialdemokraten
    »Ein belesener Teufel!« unterbrach ihn begeistert der alte Mitritsch, während der junge sich Haarsträhnen ins Gesicht zog und vor Aufmerksamkeit geiferte.
    »Ja, ja. Ich lese sehr gern! Es gibt so viele wunderbare Bücher auf der Welt!« fuhr der Mann im Jackett fort. »Ich saufe einen Monat, saufe einen zweiten, und dann nehme ich ein Buch und fange an zu lesen. So wunderbar kommt mir dieses Buch dann vor, und so dumm ich mir selbst, daß ich ganz mißmutig werde und nicht mehr weiterlesen kann. Ich schmeiße das Buch hin und fange wieder an zu saufen. Einen Monat, zwei und dann »Warte«, unterbrach ich ihn, »warte. Was ist mit den Sozialdemokraten ?«
    »Was für Sozialdemokraten? Es geht doch hier nicht nur um die Sozialdemokraten. Alle wertvollen Menschen Rußlands, alle Menschen, die für Rußland wichtig waren, haben gesoffen wie die Löcher. Nur die Überflüssigen, die Beschränkten haben nicht gesoffen. Nehmen wir Eugen Onegin. Zu Gast bei den Larins, trank er nicht mehr als ein Glas Himbeersaft und kriegte selbst davon den Dünnpfiff. Und währenddessen haben die aufrechten Zeitgenossen Onegins beim französischen Champagner, zwischen »Chateau Lafite« und ›Veuve Clicquot« (man beachte: »zwischen Chateau Lafite und Veuve Clicquot«) die »Wissenschaft vom Aufruhr« und die Dekabristenbewegung geschaffen. Und als sie endlich Herzen aufweckten...«
    »Versuch mal, den aufzuwecken,

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