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Die Reise Nach Petuschki

Titel: Die Reise Nach Petuschki Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wenedikt Jerofejew
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Essay zurück mit der Ausrede, daß es in Russisch verfaßt und französisch lediglich der Titel sei. Und was denkt ihr? Daß ich aufgab? Mitnichten! Ich rauchte auf meiner Beletage weitere dreizehn Pfeifen und schrieb ein neues Essay, wieder über die Liebe. Diesmal verfaßte ich es vom ersten bis zum letzten Wort in Französisch, russisch war nur der Titel: ›Der Libidinismus als höchstes und letztes Stadium des Sexismus.‹ Ich schickte es wieder an die ›Revue de Paris‹ «
    »Und hat man es Ihnen wieder zurückgeschickt?« fragte der Schnurrbärtige aus dem Halbschlaf zum Zeichen seiner Anteilnahme.
    »Versteht sich. Meine Sprache hat man als brillant bezeichnet, aber den Grundgedanken als falsch. Für die russischen Verhältnisse, meinten sie, trifft das vielleicht zu, aber für die französischen nicht. Der Libidinismus ist bei uns noch nicht das höchste Stadium, und noch lange nicht das letzte. Bei den Russen, sagten sie, wird der Sexismus, sobald er die Grenze zum Libidinismus erreicht hat, gewaltsam vereinfacht und durch Onanismus nach einem obligatorischen Programm ersetzt. Bei uns, bei den Franzosen, ist zwar in Zukunft die organische Implantation verschiedener Elemente des russischen Onanismus nach einem zwangloseren Programm in unsere einheimische Sodomie, in die unser Libidinismus infolge von Blutschande transformiert wird, nicht ausgeschlossen, doch wird der Prozeß der Implantation auf dem Kurs unseres traditionellen Sexismus verlaufen, und zwar absolut kontinuierlich.
    Kurz, sie haben mir das Gehirn total vollgesch... Ich pfiff auf die ganze Sache, verbrannte meine Manuskripte zusammen mit der Mansarde und der Beletage und ab durch die Mitte über Verdun zum Ärmelkanal. Ich marschierte und dachte nach, während ich marschierte in Richtung auf Albion. Ich marschierte und dachte: Warum bin ich nur nicht bei Luigi Longo wohnen geblieben? Ich marschierte und sang: »Die Königin von England liegt schwer darnieder, ihre Tage und Nächte sind gezählt.« An der Peripherie von London
    »Entschuldigen Sie«, unterbrach mich der Schnurrbärtige, »mich erstaunt Ihr Elan. Nein, wirklich, ich glaube Ihnen wie meiner eigenen Mutter, aber es erstaunt mich, mit welcher Leichtigkeit Sie alle Staatsgrenzen überwinden ...«

Dresna — Kilometer 85
    »Was soll daran erstaunlich sein?! Und was denn für Grenzen? Die Grenzen sind dazu da, um die Nationen nicht miteinander zu verwechseln. Bei uns zum Beispiel weiß der Grenzsoldat ganz genau, daß die Grenze, die er bewacht, keine Fiktion und kein Symbol ist, weil nämlich auf der einen Seite russisch gesprochen und mehr getrunken wird, und auf der anderen weniger getrunken und nicht russisch gesprochen wird ...
    Aber dort? Wie könnte es dort Grenzen geben, wo doch alle gleichviel trinken und niemand russisch spricht. Dort wären sie vielleicht froh, wenn sie einen Grenzsoldaten irgendwo hinstellen könnten, aber sie wissen einfach nicht, wohin. Die Grenzsoldaten streunen dort durch die Gegend ohne jede Beschäftigung, machen lange Gesichter und bitten die Vorübergehenden um Feuer... Was das betrifft, ist man dort völlig frei... Willst du zum Beispiel in Eboli Halt machen, nichts einfacher als das. Willst du nach Canossa gehen — niemand wird dich daran hindern, geh ruhig nach Canossa. Willst du den Rubikon überqueren, dann überquer ihn.
    Es ist also absolut nichts erstaunlich daran ... Um zwölf Uhr und null Minuten nach Greenwich-Zeit wurde ich bereits dem Direktor des Britischen Museums vorgestellt, der einen blöden, aber sehr klangvollen Namen hatte, Sir ›Mixed Pickles‹ oder so ähnlich. ›Was wollen Sie von uns?‹ fragte mich der Direktor des Britischen Museums. ›Ich möchte mich bei Ihnen engagieren. Genauer, ich möchte, daß Sie mich engagieren. Das ist es, was ich möchte...‹
    ›Soll ich Sie vielleicht in diesen Hosen da engagieren ?‹ sagte der Direktor des Britischen Museums. ›Was meinen Sie mit diesen Hosen da?‹ fragte ich zurück und versuchte, ihn meine Enttäuschung nicht merken zu lassen. Aber er tat, als hätte er mich nicht gehört. Er kniete sich auf alle viere vor mich hin und fing an, meine Socken zu beschnuppern. Als er fertig war, stand er auf, rümpfte die Nase, spuckte aus und fragte mich:
    ›Soll ich Sie vielleicht in diesen Socken da engagieren ?‹ ›Was meinen Sie mit diesen Socken da?‹ fragte ich zurück und versuchte nicht mehr, meine Enttäuschung zu verbergen. ›Was ist denn los mit meinen Socken? Die

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