Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Reise zum Ich

Die Reise zum Ich

Titel: Die Reise zum Ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudio Naranjo
Vom Netzwerk:
Sprung in die Gefahrenzone zu wagen, zu ersetzen, wenn die Barriere zu hoch ist. Die Bilder
    werden verblassen (wie beim nächsten Beispiel der Fall) oder
    an Gefühlsgehalt verlieren. Doch kann ein sanfter Anstoß von
    außen zumindest den Engpaß aufdecken oder sogar zur Eroberung eines Stückchens festen Bodens unter den Füßen verhelfen. Dieser Anstoß mag in Richtungsweisen, Ermutigung oder Appell an die Aufmerksamkeit in einem Augenblick bestehen,
    da die Unerfreulichkeit der Erfahrung den Analysanden dazu
    veranlassen könnte, den Blick abzuwenden. Zu gewissem Grad
    erfolgt solch eine Hilfe schon allein durch die Anwesenheit des
    Therapeuten, die dem Patienten die notwendige Sicherheit verleiht, um locker zu lassen und mit gewissen Bereichen seiner Innenwelt in Kontakt zu treten. Bisweilen kann auch das aktive
    Interesse des Therapeuten am Erfahrungsinhalt das Desinteresse des Patienten an kritischen Punkten ausgleichen und ihn vor dem Teufelskreis der Selbstverurteilung und psychischen
    Lähmung bewahren. Während der Patient unseres letzten Falles fähig war, der imaginierten Gefahr zu begegnen und auch von der inneren Weisheit seines Unbewußten dazu getrieben
    wurde, dies ohne Anweisung zu tun, waren im nächsten Fall
    fortgesetzte Weisungen vonnöten, um die Patientin über längere Zeiträume hinweg zur Konfrontation zu bewegen, damit sie sich mit den bedrohlichen Erscheinungen vertraut machen
    konnte.
    Bei dieser Ibogain-Sitzung handelte es sich um eine neunund-
    dreißigjährige Frau. Sie begann mit einem Wutausbruch der
    Analysandin, der sich gegen ihre Schwester richtete, die, wie sie
    meinte, ihr nicht vertraut, sie nicht geliebt und nicht verstanden
    habe. In gleicher Wut wandte sie sich (imaginierend) dann
    anderen Familienangehörigen und schließlich ihrem Mann zu,
    den sie mit erhobener Stimme zur Rede stellte. Zu guter Letzt
    rief sie laut: »Ich bin frei! Was für ein Gefühl der Erleichterung!« Dann folgte eine Phase des »weißen Lichts«, auf die wiederum Panikstimmung folgte: Sie befand sich unter einem
    trommelschlagenden Negerstamm. In Wirklichkeit eine überdisziplinierte, überkultivierte Person, sah sie sich nun als Primitive mit aufgelöstem Haar und einem Rock aus Baststreifen, die ebenfalls eine Trommel schlug. Dann brach diese Szene ab;
    sie wurde wieder von einer »Lichtszene« abgelöst:
    208

    »Ein Lichtstrahl kommt von oben. Er fällt durch das Fenster
    eines hohen Turms. Jenseits sehe ich den Himmel, intensiv
    blau, mit weißen Wolken. Jetzt fällt ein weiterer Lichtstrahl
    von einem hohen Berg herab, und während dieses goldfarbene Licht näher kommt, verschwindet das andere. Jetzt ist es ganz fort, und eine riesige rötlich-orangefarbene Sonne
    nähert sich mir. Sie erhellt die Wüste und auch den Raum, in
    dem ich bin. Nach und nach ist alles vom rötlichen Schein
    überflutet. Der Raum erwärmt sich und wird unerhört schön.
    Die Sonne umfängt mich und verleiht mir ihr Licht und ihre
    Wärme. Ich habe das Gefühl, als ob ich gehe, im Zimmer auf
    und ab wandre, und wenn ich aufstehe, sehe ich, daß ich an
    einem schwarzen Ort bin - wie ein Teich mit dunklem Wasser. Aus ihm ragt nur ein ganz kleines Stück Boden hervor.
    Auf ihm sind der Doktor und ich.
    Entsetzlich! Neben uns taucht aus dem Wasser ein gräßliches
    Ungeheuer auf. Wie ein mitten durchgeschnittenes Krokodil. Knallgrün. Von der Seite ist sein Auge das eines bläulich schimmernden Papageis mit einem gekrümmten Schnabel.
    Und der Schwanz des Krokodils ist kein richtiger Krokodilschwanz, er besteht aus schwarzen Federn. Am meisten ängstigten mich seine Augen und seine Bewegungen, wenn es wie elektrisiert mal hierhin, mal dorthin flitzt. Kaum bin ich
    ihm entkommen, taucht es plötzlich an einer anderen Stelle
    auf. Ich schreie und höre den Arzt dabei sagen: ›Blicken Sie
    ihm ins Auge. Keine Angst. Lassen Sie es auf sich zukommen.« Aber meine Angst ist größer als der Wunsch, dem Arzt zu folgen, ich bringe es nicht fertig. Ich schließe die Augen
    und sehe es immer wieder auftauchen -hier-da-tack-tack-
    tack . . .ich kann diese Angst nicht ertragen.
    Nun bin ich in einer riesigen Höhle, in der sich zwei Pfade
    kreuzen. Zwei gewaltige Tiere kommen Seite an Seite daher.
    Sie sind von leuchtendem Blaßgrün und haben etwas Pflanzenartiges, von der Form eines Kaktus. Mit körniger Haut.
    Widerwärtig. Ich staune, fürchte mich aber nicht. Der Arzt
    sagt: ›Weichen Sie ihnen nicht aus.« Ich betrachte

Weitere Kostenlose Bücher