Die Reise zum Ich
kein Raum.
Zu guter Letzt gerät sie in sexuelle Erregung, und zwar nicht
mehr symbolisch, sondern als echte Erfahrung, die sie sich
nunmehr gestattet und über das Medium ihrer Physis zum
Ausdruck bringt.
Interessant ist, daß die Bilder während der Phase der Willensbildung und der Integration nichts Uberweltliches mehr haben, sondern eher eine Synthese aus einer dunklen, nassen Tier- und
Pflanzenwelt und einer überweltlichen Lichtwelt ergeben. Auf
einer ähnlichen Synthese beruht ja auch unsere normale Welt:
Gott ist Licht für die Seelen, die im Dunkel siedeln; für jene
aber, die im Bereich des Tages zu Hause sind, hat er nur
Menschengestalt - meinte schon blake. Aus dem kosmischen
»Ich bin« wurde hier ein irdischeres »Ich bin Ich«.
Unsere Patientin hat freilich nicht getanzt. Und dies läßt vermuten, daß ihre unbewußten Wünsche noch eine weitere Barriere zu überwinden hatten und der Prozeß, den wir verfolgten, noch nicht abgeschlossen gewesen sein mag. Tatsächlich stellte
sie, wie es öfter bei unvollständigen Ibogain-Erfahrungen geschieht, noch lange Reminiszenzen über die Vorgänge dieser Sitzung an; sogar noch vierundzwanzig Stunden danach sah sie
sporadisch einzelne Bilder: Sie sieht einen riesigen Saurier mit
krokodilartiger Haut und identifiziert sich mit ihm; dann beginnt sie ihn zu beschimpfen und gellend zu schreien:
»Ich bin grauenhaft, grau, schwarz, hart!
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Ich lebe in dieser schrecklichen unterirdischen Höhle.
Ich will allein sein, allein. Ich will kein Leben um mich.
Eine Königin, mächtig in dieser Einsamkeit.
Ich bin die Königin der Finsternis.
Ich biiin die Beeestie!
Ich will kreischen, brüllen, heulen, vernichten.
Ich will töten, zerbrechen, durchbohren, zerkratzen, zerschmeißen,
zerschmettern,
zerreißen,
zerquetschen,
zermalmen.
Ich bin unerbittlich !
Ich bin unerbittlich !
Ich bin unerbittlich gegen mich selbst.«
Wann immer »monströse« Triebenergien unter Kontrolle gebracht werden sollen, muß zu diesem Zweck ein gleichermaßen mächtiges »Monstrum« herhalten. Und gerade dieses Verdrängungsaktes muß sich die Person bewußt werden und realisieren, daß sie ihn selbst verursacht, ehe sie diese Energien umzupolen
vermag. Was zuvor noch relativ sanft als verächtliches Gelächter des »Topdog« (Maria) erlebt wurde, wuchs sich nun zu einem unerbittlichen Monstrum aus, und sie wird gewahr, daß
dieses auch in ihrem alltäglichen Selbst existiert.
Die Ibogain-Sitzung erbrachte, wie zu erwarten, einen bedeutenden Gewinn an Spontaneität und an Mut, ihrem Zorn Luft zu machen. Der Wandel zeigt sich nicht nur in ihren Bewegungen, die geschmeidiger werden, sondern auch in ihrem lebhafteren, reaktiveren Gesichtsausdruck. Es war ihre dritte Sitzung gewesen, diesmal mit pharmakologischen Agenzien; bei den
anderen beiden hatte ich ihr LSD-25 und MDA gegeben. Bei
der LSD-Sitzung im Jahr zuvor hatte sich ihr zwar die Schönheit
der Außenwelt offenbart, sich selbst aber hatte sie häßlich
gesehen - eine dramatische Demonstration ihrer Selbstmißachtung wie für die noch zu leistende innere Arbeit. Sechs Monate später gab ich ihr MDA, was ihr erstmals die Erfahrung des
»Ich bin Ich« vermittelte, wobei sie realisierte, daß sie bisher ihr
Leben lang Meinungs- und Verhaltensklischees übernommen
hatte, die zu ihren echten Gefühlen und Ansichten in Widerspruch standen. Durch die Anwendung von Ibogain wurde zum ersten Mal ihr Triebleben erfaßt, und danach hatte sie sich nach
eigener Ansicht und der anderen Menschen am eklatantesten
verändert.
Zusammenfassend könnte man sagen, der psychologische Prozeß bestand bei Ibogain in der zunehmenden Akzeptierung und 214
Äußerung ihres Trieblebens. Was zunächst in Gestalt flüchtiger
und bedrohlicher (mit Aggressivität und Sinnlichkeit befrachteter) Bilder in ihr Bewußtsein Eingang gefunden hatte, zeichnete sich allmählich immer detaillierter ab, führte zur Kristallisation der Idee Tanz, dann zur realen Bewegung, dann zur sexuellen Erregung und machte sich schließlich in gellendem
Schreien Luft. Genauer gesagt: Was da vor sich ging, war die
Aufdeckung verdrängter Triebe bei gleichzeitiger Bloßlegung
und Darstellung von »Phantomen«, von »Introjektionen«, jener Topdogs, die gleich einer Presse die Triebe niederhielten.
Solche Phantome leben indes vom Blut der Unterdrückten.
Genau in diesen furchterregenden Wächtern haben sich die
Energien der Patientin verkapselt;
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